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Rettungslos

Titel: Rettungslos
Autoren: van der Vlugt Simone
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geschafft, das weiß ich jetzt.«
    Â»Hast du dich wieder an irgendetwas erinnert?«
    Â»Nein, das heißt, doch: Gerade eben, als das Handy klingelte. Da sah ich mich plötzlich im Auto, wie ich zu telefonieren versuchte, und fühlte mich auf einmal total gehetzt und nervös.«
    Â»So, als hättest du es sehr eilig«, meint Alexander. »Ob da was passiert ist? Ich meine, noch vor dem Unfall.«
    Â»Könnte gut sein, denn ich sehe immer wieder ein bestimmtes Haus vor mir. Ich fahre jetzt weiter, vielleicht finde ich es ja.«
    Â»Ich würde dich gern begleiten. Würdest du dort auf mich warten?«
    Â»Da müsste ich ja über eine halbe Stunde am Straßenrand stehen!«
    Â»Hmmm, das wäre wohl zu viel verlangt«, gibt er zu. »Erzähl mir noch ein wenig von dem Gespräch mit deinem Retter …«

    Senta blickt aus dem Seitenfenster. Ein paar Enten verfolgen sich, flügelschlagend und unter lautem Geschnatter sausen sie durchs Wasser.
    Â»Es war neblig …«, beginnt sie leise.
    Während Senta erzählt, hat sie immer wieder den Eindruck, dass Alexander ihr gar nicht richtig zuhört. Sie hört Tasten klappern und bricht abrupt ab.
    Â»Sag mal, was tust du da eigentlich?«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Du schreibst doch, ich kann es hören.«
    Â»Ã„h …« Seine Verlegenheit verrät ihr, dass sie recht hat.
    Stille.
    Â»Hast du deine Schreibblockade überwunden?«, erkundigt sie sich.
    Er lacht leicht gekünstelt.
    Â»Du hast mir überhaupt nicht zugehört!«
    Â»Aber nein, Senta. Ich höre sogar sehr genau zu.«
    Â»Mag sein, aber nicht mir, sondern einer Romanfigur.«
    Ein Seufzer. »Senta, versteh doch bitte …«
    Â»Willst du das, was ich dir erzählt habe, etwa für ein Buch verwenden?«
    Sekundenlang bleibt es still. »Ja«, sagt er schließlich. »Aber das heißt doch nicht, dass …«
    Â»Es wäre mir lieb, wenn du mich in Zukunft nicht mehr anrufst!«, fällt Senta ihm ins Wort.
    Â»Das ist doch nicht dein Ernst! Senta, bitte! Ich …«
    Â»Mir ist in den letzten Tagen Verschiedenes klar geworden, Alexander«, sagt Senta. »Unter anderem, dass ich meinen Mann zu sehr liebe, als dass ich ihn
weiter hintergehen möchte. Diesen Entschluss hätte ich schon viel früher fassen sollen, aber die alte Senta konnte es nicht. Die neue dagegen kann es.«
    Sie hört ihn schwer atmen. »Senta …«
    Â»Viel Erfolg mit deinem Buch«, sagt sie leise. Dann legt sie auf und sieht lange nachdenklich vor sich hin.

38
    Ist er noch im Haus? Lisa könnte sich gut vorstellen, dass Kreuger klammheimlich verschwindet und sie und Anouk im Ungewissen lässt. Jedes Mal, wenn sie eine Weile kein Geräusch mehr von oben gehört hat, schöpft sie Hoffnung, doch dann erklingen zu ihrer Enttäuschung erneut Schritte, oder es gluckert in den Leitungen.
    Vorhin hat sie den Motor des Postautos gehört und gleich darauf Schritte auf dem Kies. Das brachte sie auf die Idee, das schmale Kellerfenster zu öffnen und den Zettel mit dem Hilferuf hinauszuwerfen. Auf dem Hocker stehend, reichte sie gerade eben heran. Fragt sich nur, ob es etwas nützt, denn wer kommt schon an die Rückseite des Hauses?
    Wenigstens ist sie hier im Keller nicht mehr den Gewalttätigkeiten und dem Sexualtrieb Kreugers ausgeliefert.
    Mit aller Macht verdrängt sie die schlimmen Erinnerungen. Sie hat auch nicht vor, sie je wieder hervorzukramen,
was angeblich nötig ist, um traumatische Erlebnisse verarbeiten und überwinden zu können. Aber was spricht gegen Verdrängung? Bisher ist sie damit ganz gut zurechtgekommen.
    Â»Mama, ich hab Durst«, sagt Anouk kläglich.
    Lisa hat ebenfalls Durst. Inzwischen muss es bereits Freitagmorgen sein. Die Zunge klebt ihr am Gaumen, jedes Schlucken tut weh, und sie hat einen schlechten Geschmack im Mund. Aber wenn sie den Keller verlassen, bringt er sie um.
    Das Dämmerlicht wirkt wie ein Betäubungsmittel. Lisa hat es aufgegeben, gegen den Durst anzukämpfen, und stellt zu ihrem Erstaunen fest, wie leicht es ist, sich ins Unvermeidliche zu fügen. Ihr ist, als tue sich unter ihr ein schwarzes Nichts auf, das sie magnetisch anzieht. Immer wieder ist sie versucht, sich in die Tiefe gleiten zu lassen. Es ist schon so lange her, dass sie eine Nacht ruhig und tief geschlafen hat, und sie wünscht sich nichts sehnlicher, als
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