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Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Titel: Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Autoren: Martin Hüfner
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München. Von 10.000 Metern über dem Boden aus und 4000 Kilometer von Europa entfernt, im Sonnenschein über den Wolken, sieht der Euro nicht schlecht aus. Gestern Abend hatte der Chef der amerikanischen Citibank, Pandit Vikram, bei einem Essen in der indischen Hauptstadt davon gesprochen, wie gut die Europäer mit ihrer neuen Währung auskämen.
    Es war das Frühjahrstreffen des Institute of International Finance mit rund 500 Bankern aus allen Teilen der Welt. In den Vorträgen und Diskussionen hatte es viele gute Prognosen zur Zukunft Griechenlands und der Europäischen Währungsunion gegeben. Die akuten Probleme, so hieß es unter den Bankern, lägen an ganz anderer Stelle: Abgesehen vom scharfen indischen Essen – immer mehr Teller blieben mit der Zeit unangerührt – seien es vor allem die steigende Inflationsgefahr und die hohe amerikanische Staatsverschuldung, die auf dem Magen lägen.
    So leicht kann man es sich aber nicht machen. Hier mein Blick aus der Flugzeugkabine auf den Euro:
    Die Krise war das Beste, was dem Euro passieren konnte. Über zehn Jahre fuhren wir wie auf der Titanic. Wir lebten in der Illusion, eine widerstandsfähige und funktionierende Währung zu haben. Wir glaubten, das Problem des Euro gelöst zu haben. Dann kam der Eisberg – und alles wurde anders.
    Niemand hatte bemerkt, in welch unsicheren Gewässern wir uns befanden. »Über Wasser« sah eigentlich alles ganz ordentlich aus. Die Preise waren – mit Ausnahme der Zeit des »Teuro« – relativ stabil. Der Wechselkurs wertete sich auf. Ausländische Zentralbanken kauften Euro für ihre Währungsreserven. Die Unternehmen profitierten davon, dass die Wechselkurse nicht mehr so stark schwankten und die Kosten der Kurssicherung nicht mehr so hoch waren. Als ich in Neu-Delhi in einer Boutique einen Schal für meine Frau kaufte und mit Dollar bezahlte, fragte der Verkäufer etwas kleinlaut, ob er mir das Wechselgeld auch in Euro zurückgeben könne. Er besitze leider keine Dollar. Das ist mir im fernen Asien mit der D-Mark nie passiert.
    Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war der Stolz der Begründer des Euro. Er musste zwar einmal überarbeitet werden, was dem früheren deutschen Finanzminister Theo Waigel, einem seiner Väter, gegen den Strich ging. Er wurde auch nicht immer eingehalten. Selbst die Deutschen verstießen gegen ihn. Wenigstens aber hatten die »Sünder« ein schlechtes Gewissen.
    Die Europäische Zentralbank (EZB) erarbeitete sich eine hohe Reputation. In der Finanzkrise agierte sie effizienter und schneller als viele andere Zentralbanken, vor allem auch als die amerikanische Federal Reserve. Keine Bank im Euro-Gebiet konnte sich über mangelnde Liquidität aus den Töpfen der EZB beklagen. Der Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, wurde als Wächter des Euro populär. Er trat im Fernsehen auf und kaufte mit seiner Frau auf dem Frankfurter Großmarkt ein. Das machte ihn lebensnah, fast liebenswert.
    Die Menschen gewöhnten sich an die neue Währung. Nicht, dass sie sie liebten. Geld liebt man nicht. Aber sie fanden sich damit ab. Der Euro war offenbar nicht so schlecht wie befürchtet. Die Umrechnung von der D-Mark in den Euro machte keine größeren Schwierigkeiten. Längst aber rechnet keiner mehr, auch die Älteren nicht, noch in D-Mark. Nur wenn einmal etwas als besonders teuer erscheint, nimmt man den Preis mal zwei und sagt: 17 D-Mark (umgerechnet von 8,50 Euro) soll diese Pizza kosten – das ist aber teuer! Dass auf dem Gehaltszettel und dem Rentenbescheid nur die kleineren Euro-Beträge stehen, haben wir hingenommen. Die Feiern zum zehnjährigen Jubiläum der Europäischen Zentralbank im Jahr 2009 waren zwar nicht glamourös, dem Anlass entsprechend aber angemessen.
    Um die großen Kritiker des Euro, die Professoren Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling und Karl-Albrecht Schachtschneider, die gegen die Währungsunion sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen hatten, wurde es still. In der Bild-Zeitung war der Euro kein Thema mehr.
    Ein neues Stuttgart 21?
     
    Dann passierte es. Die Musik auf der Titanic verstummte. Die heile Welt war mit einem Mal vorbei. Der Schleier wurde abgenommen. Was zum Vorschein kam, war ziemlich erbärmlich. Die Griechen hatten betrogen. Und zwar, wie sich herausstellte, von Anfang an. Für 2009 mussten sie ein öffentliches Defizit von 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugeben statt der ursprünglich genannten 6 Prozent (die schon viel mehr als
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