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Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Titel: Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Autoren: Martin Hüfner
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erlaubt waren). Von den Ratingagenturen wurden sie, gemessen an ihrer Zahlungsfähigkeit, wie Angola oder die Mongolei eingestuft, zuletzt sogar am schlechtesten von allen anderen Staaten dieser Welt.
    Wie oft hörte man: Haben wir doch gewusst, dass der »Club Med« (so nannte man die Anrainer des Mittelmeers bewusst unfreundlich) nicht in die Währungsunion gehört! Die Iren wiesen 2010 bei den öffentlichen Haushalten ein unvorstellbares Minus von 32 Prozent auf, die Portugiesen kamen auf 9 Prozent. Spanien, seit Beginn des Euro ein finanzpolitischer Musterknabe, hatte ein riesiges Loch in seinen Staatsfinanzen. Selbst für Deutschland wurde das Defizit ursprünglich auf 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Die waren allerdings im Wesentlichen auf die Rezession zurückzuführen und damit entschuldbar. Später zeigte sich auch, dass man in der Prognose zu pessimistisch gewesen war.
    Alle Maßstäbe waren aus den Angeln gehoben. Die Regeln des Euro wurden aufgeweicht. Das »Bail-out«, also die Hilfe für ein verschuldetes Partnerland, war nicht mehr – wie in den Maastricht-Verträgen vorgesehen – verboten. Es wurde im Gegenteil mit einem Mal dringlich gebraucht. Aus dem »Bail-out« wurde ein »Bail-in«. Griechenland erhielt auf einen Schlag 110 Milliarden Euro. Irland folgte mit 85 Milliarden Euro. Dann kam Portugal mit einem ähnlichen Betrag. Vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht laufen noch heute Klagen, ob das alles rechtens ist. Die Verschuldungsregeln der Maastricht-Verträge wurden weit überschritten. Statt einer Verschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichte Deutschland im Jahr 2010 83,2 Prozent. Im gesamten Euro-Gebiet waren es 85,2 Prozent. Griechenland kam sogar auf 142,8 Prozent, Italien auf 119 Prozent.
    Die Europäische Zentralbank kaufte Papiere der Schuldnerländer, obwohl ihr die Staatsfinanzierung in ihren Statuten ausdrücklich verboten ist. Sie formulierte spezielle Refinanzierungsregeln für Griechenland, Irland und Portugal und durchbrach damit das Prinzip der Gleichbehandlung. Sie akzeptierte von den Banken Papiere als Sicherheiten, die wegen ihrer schlechten Qualität nie und nimmer in die Bilanz einer Zentralbank gehört hätten. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet musste sich den Vorwurf gefallen lassen, er sei von den Staats- und Regierungschefs über den Tisch gezogen worden. Der für seine Prinzipientreue und Durchsetzungskraft so gefeierte deutsche Bundesbankpräsident Axel Weber trat spektakulär von seinem Amt zurück. Ursprünglich hatten viele gedacht, dass er Chef der EZB werden würde.
    Es gab wieder nächtliche Sitzungen in Brüssel. Bei der wichtigsten, am Wochenende vom 7. bis 9. Mai 2010, musste der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble herausgetragen und ins Krankenhaus gefahren werden (was freilich nichts mit dem Euro zu tun hatte, aber die Dramatik noch unterstrich). Der Innenminister musste kurzfristig aus Berlin anreisen und ihn vertreten. Der Steuerzahler, der gerade in der Bankenkrise massiv geholfen hatte, wurde erneut zur Kasse gebeten. An diesem Wochenende wurde ein Rettungspaket von sage und schreibe 750 Milliarden Euro – das sind über 1000 Milliarden US-Dollar – geschnürt. 174 Milliarden Euro davon fielen auf Deutschland.
    Europa schickte einen Hilferuf nach Washington zum Internationalen Währungsfonds (IWF). Das tat weh. Es war das Eingeständnis, dass Europa die Krise nicht allein lösen konnte. Der IWF steuerte insgesamt 280 Milliarden Euro zum Hilfspaket bei. Die Europäer begaben sich in die Hände der internationalen Gemeinschaft. Von nun an konnten auch die Amerikaner über ihre Funktion im IWF bei innereuropäischen Angelegenheiten mitreden. Es sollte sich später noch zeigen, dass das durchaus nicht nur ein theoretisches Problem war. Dabei war der Euro gerade ein Projekt, mit dem die Europäer sich von den Amerikanern emanzipieren wollten. Auf den Devisenmärkten ist er der Hauptkonkurrent des US-Dollar.
    Im Euro-Raum selbst fand es eine Renaissance der Euro-Skeptiker statt. Es gab in Deutschland wieder vermehrt Umfragen, die erbrachten, dass die Bevölkerung den Euro nicht mag und die D-Mark wieder zurückhaben möchte.
    Die Zweifel der Bürger am Euro waren nicht ungefährlich. Die neue Währung war nie durch einen Volksentscheid legitimiert worden, im Gegenteil, die Deutschen hätten einer Abschaffung der D-Mark, wenn sie gefragt worden wären, nicht zugestimmt. Es bestand die Gefahr,
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