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Rette mich

Rette mich

Titel: Rette mich
Autoren: Becca Fitzpatrick
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Weggenommen, und nichts war an ihrer Stelle zurückgeblieben außer einem hohlen Angstgefühl. Ein Gefühl von Verletzung schwang in mir, und ich fühlte mich, als wäre ich ohne Vorwarnung von einer hohen Plattform gestoßen worden. Ich fiel, und ich fürchtete dieses Gefühl mehr als den Aufprall auf dem Boden. Es gab kein Ende. Nur ein endloses Gefühl von Schwerkraft, das mit mir machte, was es wollte.
    »Also, was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?«, fragte Mom.
    »Die Schule.« Die Antwort kam mir automatisch über die Lippen. Langsam fingen meine verstreuten Erinnerungen an, sich zu bewegen, Bruchstücke kamen zusammen, schlossen sich zusammen zu etwas Festem. »Ich hatte einen Biologietest vor mir. Aber ich fürchte, den hab ich verpasst«, setzte ich hinzu, als mir die Wirklichkeit dieser elf versäumten Wochen langsam bewusst wurde. Ich hatte ein klares Bild davon, wie ich in Coach McConaughys Biologieklasse saß. Die vertrauten Gerüche von Kreidestaub, Putzmittel, verbrauchter Luft und der immer präsente Körpergeruch wehten mir aus der Erinnerung entgegen. Vee saß neben mir, meine Laborpartnerin. Unsere Lehrbücher lagen aufgeschlagen auf dem schwarzen Granittisch vor uns, aber Vee hatte heimlich eine Ausgabe von US Weekly in ihres geschmuggelt.
    »Du meinst Chemie«, korrigierte Mom. »Im Sommerkurs.«
    Ich richtete meine Augen auf sie, unsicher. »Ich bin nie zur Sommerschule gegangen.«
    Mom legte die Hand auf den Mund. Ihre Haut war bleich geworden. Das einzige Geräusch im Raum war das regelmäßige Ticken der Uhr über dem Fenster. Ich hörte das Echo jeden winzigen Tons in mir, zehn Mal, bevor ich meine Stimme wiederfand.
    »Was für ein Tag ist heute? Welcher Monat?« Meine Gedanken wirbelten zurück zum Friedhof. Die verrottenden Blätter. Der unterschwellige Frost in der Luft. Der Mann mit der Taschenlampe, der darauf bestand, es wäre September. Das einzige Wort, das sich in meinem Kopf wiederholte, war nein. Nein, das war nicht möglich. Nein, das passierte nicht wirklich. Nein, Monate meines Lebens konnten nicht einfach so vorbeigegangen sein, ohne dass ich es gemerkt hatte. Ich drängte mich zurück durch meine Erinnerungen, in dem Versuch, irgendetwas zu fassen zu bekommen, das mir helfen konnte, diesen Augenblick mit dem zu verbinden, in dem ich in Coachs Biologiestunde saß. Aber da war nichts, worauf ich hätte bauen können. Jegliche Erinnerung an den Sommer war ganz und gar verschwunden.
    »Ist schon gut, Baby«, murmelte Mom. »Wir bekommen dein Erinnerungsvermögen zurück. Dr. Howlett sagt, die meisten Patienten machen mit der Zeit deutliche Fortschritte.«
    Ich versuchte, mich aufzusetzen, aber meine Arme waren in einem Wirrwarr aus Schläuchen und medizinischen Überwachungsgeräten gefangen. »Sag mir einfach nur, welchen Monat wir haben!«, wiederholte ich hysterisch.
    »September.« Ihr zerknittertes Gesicht war unerträglich. »Der sechste September.«
    Ich sank zurück, blinzelnd. »Ich dachte, es wäre April. Ich kann mich nur bis April erinnern.« Ich richtete Wände auf, um den Ausbruch von Panik in mir abzublocken. Ich konnte damit nicht in einer einzigen Welle fertig werden. »Ist der Sommer wirklich – ist er vorbei? Einfach so?«
    »Einfach so?«, echote sie mit flacher Stimme. »Er zog sich hin. Jeder Tag ohne dich … elf Wochen der Ungewissheit … die Panik, die Sorge, die Angst, die unendliche Hoffnungslosigkeit …«
    Ich dachte nach, rechnete nach. »Wenn jetzt September ist und wenn ich elf Wochen lang weg war, dann bin ich …«
    »Am einundzwanzigsten Juni verschwunden«, sagte sie. »In der Mittsommernacht.«
    Die Mauer, die ich errichtet hatte, wurde schneller brüchig, als ich sie mental wieder aufrichten konnte. »Aber ich erinnere mich nicht an den Juni. Ich kann mich nicht einmal an den Mai erinnern.«
    Wir sahen einander an, und ich wusste, dass wir denselben schrecklichen Gedanken teilten. War es möglich, dass mein Erinnerungsverlust länger andauerte als die elf Wochen, die ich verschwunden war, bis zurück in den April? Wie konnte so etwas überhaupt geschehen?
    »Was hat der Arzt gesagt?«, fragte ich und befeuchtete meine Lippen, die sich trocken wie Sandpapier anfühlten. »Hatte ich eine Kopfverletzung? War ich mit Drogen betäubt? Warum kann ich mich an nichts erinnern?«
    »Dr. Howlett sagt, es ist retrograde Amnesie.« Mom hielt inne. »Das bedeutet, dass einige von deinen vorherigen Erinnerungen verloren gegangen sind. Wir waren
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