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Rette mich

Rette mich

Titel: Rette mich
Autoren: Becca Fitzpatrick
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war ausgestiegen. Er sah nach Mafia aus: dunkles, lockiges Haar und formell in ein schwarzes Hemd, schwarzen Schlips und schwarze Hosen gekleidet.
    Etwas an ihm rüttelte an meiner Erinnerung. Aber bevor ich es wirklich begreifen konnte, ging es mir wieder verloren, und ich stand genauso im Dunklen wie zuvor.
    Ein Haufen Zweige und Äste lag auf dem Boden. Ich bückte mich, und als ich mich wieder aufrichtete, hatte ich einen Stock in der Hand, der halb so dick war wie mein Arm.
    Der vermeintliche Polizist tat, als sähe er meine Waffe nicht, aber ich wusste, das stimmte nicht. Er steckte sich eine Polizeimarke ans Hemd und hob dann die Hände auf Schulterhöhe. Ich tue dir nichts, besagte die Geste.
    Ich glaubte ihm nicht.
    Er machte langsam ein paar Schritte auf mich zu, wobei er darauf achtete, keine plötzlichen Bewegungen zu machen. »Nora. Ich bin’s.« Ich zuckte zusammen, als er meinen Namen aussprach. Ich hatte seine Stimme noch nie zuvor gehört. Mein Herz schlug heftig genug, dass ich es um meine Ohren herum klar wahrnehmen konnte. »Bist du verletzt?«
    Ich beobachtete ihn weiter, mit wachsender Besorgnis, wobei meine Gedanken in verschiedene Richtungen davonschossen. Die Marke konnte falsch sein. Ich hatte bereits entschieden, dass dies auf die Kojaklampe zutraf. Aber wenn er kein Polizist war, was war er dann?
    »Ich habe deine Mutter angerufen«, sagte er und stieg den Hang zur Brücke hinauf. »Sie trifft sich mit uns im Krankenhaus.«
    Ich ließ den Stock nicht los. Meine Schultern hoben und senkten sich mit jedem Atemzug; ich konnte den Luftzug zwischen den Zähnen spüren. Noch ein Schweißtropfen lief unter meinen Kleidern entlang.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte er. »Es ist vorbei. Ich lasse nicht zu, dass dich jemand verletzt. Du bist jetzt in Sicherheit.«
    Mir gefiel weder sein langer, entspannter Gang noch die vertrauliche Weise, in der er mit mir sprach.
    »Kommen Sie nicht näher«, sagte ich zu ihm, und der Schweiß an meinen Händen machte es mir schwer, den Stock fest zu umfassen.
    Seine Stirn legte sich in Falten. »Nora?«
    Der Stock zitterte in meiner Hand. »Woher kennen Sie meinen Namen?«, wollte ich wissen und zeigte ihm nicht, wie verängstigt ich war. Wie sehr er mich ängstigte.
    »Ich bin’s«, wiederholte er und sah mir direkt in die Augen, als ob er erwartete, dass mir plötzlich ein Licht aufging. »Detective Basso.«
    »Ich kenne Sie nicht.«
    Er sagte einen Augenblick lang nichts. Dann versuchte er es anders. »Erinnerst du dich daran, wo du gewesen bist?«
    Ich blickte ihn misstrauisch an.
    Ich tauchte tiefer in meine Erinnerung ein, sah sogar bis in die tiefsten und ältesten Korridore, aber sein Gesicht war da nirgends. Ich erinnerte mich überhaupt nicht an ihn. Und dabei wollte ich mich doch an ihn erinnern. Ich wollte etwas – irgendetwas – Bekanntes finden, woran ich mich klammern konnte, damit ich Sinn in einer Welt fand, die, von meinem Blickwinkel aus, völlig verdreht war.
    »Wie bist du heute Nacht auf den Friedhof gekommen?«, fragte er, wobei er den Kopf ganz leicht in die entsprechende Richtung neigte. Seine Bewegungen waren vorsichtig. Seine Augen waren vorsichtig. Sogar die Linie seines Mundes war politisch korrekt. »Hat dich jemand da abgesetzt? Bist du gelaufen?« Er wartete. »Du musst es mir sagen, Nora. Es ist wichtig. Was ist heute Nacht geschehen?«
    Das wüsste ich selbst gern.
    Eine Welle von Übelkeit überkam mich. »Ich will nach Hause.« Ich hörte ein trockenes Knacken zu meinen Füßen. Zu spät bemerkte ich, dass ich den Stock fallen gelassen hatte. Der Wind fühlte sich kalt an meinen leeren Handflächen an. Ich sollte nicht hier sein. Diese ganze Nacht war ein riesiger Fehler.
    Nein. Nicht die ganze Nacht. Was wusste ich schon davon? Ich konnte mich ja nicht an alles erinnern. Mein einziger Ausgangspunkt war ein Stückchen Vergangenheit, in der ich auf einem Grab aufgewacht war, kalt und verloren.
    Im Kopf malte ich mir ein Bild von unserem Farmhaus, sicher und warm und wirklich, und fühlte, wie mir eine Träne seitlich an der Nase herunterlief.
    »Ich kann dich nach Hause fahren.« Er nickte mitfühlend. »Ich muss dich nur vorher ins Krankenhaus bringen.«
    Ich kniff die Augen zu, hasste mich selbst dafür, dass ich weinte. Ich konnte mir keine schnellere Art und Weise denken, ihm zu zeigen, wie verängstigt ich wirklich war.
    Er seufzte – ein so sanfter Ton, als wünschte er, es gäbe einen Weg, mir die Neuigkeit, die er
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