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Rette mich

Rette mich

Titel: Rette mich
Autoren: Becca Fitzpatrick
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mir eröffnen musste, zu ersparen. »Du warst elf Wochen lang verschwunden, Nora. Hörst du, was ich sage? Niemand weiß, wo du die letzten drei Monate gewesen bist. Du musst untersucht werden. Wir müssen sichergehen, dass du in Ordnung bist.«
    Ich starrte ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen. Klitzekleine Glocken läuteten in meinen Ohren, aber sehr weit weg. Tief in meinem Bauch spürte ich ein Schlingern, aber ich versuchte, das Unwohlsein zu ignorieren. Ich hatte vor ihm geweint, aber ich würde mich nicht vor ihm übergeben.
    »Wir glauben, dass du entführt worden bist«, sagte er mit unlesbarem Gesichtsausdruck. Er hatte den Abstand zwischen uns verringert und war mir jetzt zu nah. Und sagte Dinge, die ich nicht begreifen konnte. »Entführt.«
    Ich blinzelte. Ich stand einfach nur da und blinzelte.
    Eine Empfindung ergriff mein Herz, zog und zerrte, mein Körper erschlaffte, schwankte im Wind. Ich sah den goldenen Schein der Straßenlaternen über mir, hörte, wie der Fluss unter der Brücke rauschte, roch die Abgase seines laufenden Motors. Aber es war alles im Hintergrund. Ein nachträglicher, schwindeliger Gedanke.
    Mit nur einer kurzen Vorwarnung spürte ich, wie ich schwankte, schwankte. Ins Nichts fiel.
    Ich verlor das Bewusstsein, bevor ich den Boden berührte.

Zwei
    I ch erwachte im Krankenhaus.
    Die Zimmerdecke war weiß, die Wände in heiterem Blau gehalten. Der Raum roch nach Lilien, Weichspüler und Ammoniak. Auf einem Rollwagen neben meinem Bett balancierten zwei Blumensträuße, ein Gesteck aus Luftballons, das mir zurief: GUTE BESSERUNG!, und eine Geschenktasche aus lila Folie. Die Namen auf den Karten schwankten zwischen scharf und unscharf. DOROTHEA UND LIONEL. VEE.
    In der Ecke bewegte sich etwas.
    »Oh, Baby«, flüsterte eine bekannte Stimme, und die Person dahinter sprang aus ihrem Stuhl auf und auf mich zu. »Oh, Liebling.« Sie setzte sich auf den Rand des Betts und zog mich in eine erstickende Umarmung. »Ich hab dich so lieb«, flüsterte sie mir gepresst ins Ohr. »Ich hab dich ja so lieb.«
    »Mom.« Einfach nur ihren Namen zu sagen ließ alle Albträume, aus denen ich gerade erst erwacht war, zerschellen. Eine Welle von Ruhe erfüllte mich und löste den Knoten aus Angst in meiner Brust.
    Ich wusste, dass sie weinte, weil ich ihren Körper an meinem zittern fühlte, kleine Beben zuerst, dann große, quälende Stöße. »Du kannst dich an mich erinnern«, sagte sie, und aus ihrer Stimme klang nichts weniger als Erlösung. »Ich hatte solche Angst. Ich dachte – oh, Baby. Ich dachte an das Schlimmste!«
    Und genauso einfach fuhren mir die Albträume wieder unter die Haut. »Stimmt es?«, fragte ich, und etwas Fettiges und Saures rührte sich in meinem Magen. »Was der Detective gesagt hat. War ich … elf Wochen lang …« Ich brachte es nicht über mich, das Wort zu sagen. Entführt. Es klang so distanziert. So unmöglich.
    Sie gab einen gequälten Laut von sich.
    »Was ist mir passiert?«, fragte ich.
    Mom wischte sich mit den Fingerspitzen unter den Augen entlang, um sie zu trocknen. Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nur meinetwegen versuchte, so selbstbeherrscht auszusehen. Ich stellte mich sofort auf schlechte Nachrichten ein.
    »Die Polizei tut, was sie kann, um Antworten finden.« Sie setzte ein Lächeln auf, aber es flackerte. Als bräuchte sie etwas, woran sie sich halten konnte, ergriff sie meine Hand und drückte sie. »Das Allerwichtigste ist, dass du wieder da bist. Du bist zu Hause. Alles, was geschehen ist – ist vorbei. Wir kommen darüber hinweg.«
    »Wie bin ich denn entführt worden?« Die Frage war eher an mich selbst gerichtet. Wie war das passiert? Wer sollte mich entführen wollen? Waren sie in einem Auto aufgetaucht, als ich aus der Schule kam? Hatten sie mich in den Kofferraum gesteckt, als ich über den Parkplatz ging? War es so einfach gewesen? Bitte nicht. Warum war ich nicht weggerannt ? Warum hatte ich nicht gekämpft ? Warum hatte ich so lange gebraucht, um zu entkommen? Weil das ganz klar war, was passiert war. Oder doch nicht? Das Fehlen von Antworten nagte an mir.
    »Woran erinnerst du dich?«, fragte Mom. »Detective Basso sagt, dass selbst eine Kleinigkeit hilfreich sein könnte. Denk zurück. Versuch, dich zu erinnern. Wie bist du auf den Friedhof gekommen? Wo warst du davor?«
    »Ich erinnere mich an nichts. Es ist, als ob mein Gedächtnis …« Ich brach ab. Es war, als wäre mir ein Teil meiner Erinnerungen gestohlen worden.
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