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Rette mich

Rette mich

Titel: Rette mich
Autoren: Becca Fitzpatrick
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hinten und konzentrierte mich stattdessen darauf, mich körperlich zu orientieren; ich nahm die ausgestreckte Hand des Mannes. Sobald ich aufrecht saß, leuchtete mich die Taschenlampe wieder an.
    »Wie alt bist du?«, wollte er wissen.
    Endlich etwas, wo ich mir sicher war. »Sechzehn.« Beinahe siebzehn. Mein Geburtstag war im August.
    »Was in drei Teufels Namen machst du hier draußen ganz allein? Weißt du nicht, dass es längst nach Sperrstunde ist?«
    Ich sah mich hilflos um. »Ich …«
    »Du bist nicht weggelaufen, oder? Sag mir nur, dass du ein Zuhause hast.«
    »Ja.« Das Farmhaus. Ich erinnerte mich plötzlich an mein Zuhause, und mein Herz schlug vor Freude höher, bis mir kurz darauf dasselbe Herz wieder in die Hose rutschte. Draußen, nach der Sperrstunde? Wie lange danach? Ich versuchte erfolglos, die Vorstellung des wütenden Gesichts meiner Mutter auszublenden, wenn ich durch die Haustür kam.
    »Hat ›ja‹ eine Adresse?«
    »Hawthorne Lane.« Ich stand auf, fing aber heftig an zu schwanken, als mir das Blut in den Kopf schoss. Warum konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich hierhergekommen war? Ich musste gefahren sein. Aber wo hatte ich den Fiat geparkt? Und wo war meine Handtasche, meine Schlüssel?
    »Hast du was getrunken?«, fragte er und kniff die Augen zusammen.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Der Strahl der Taschenlampe, der sich etwas von meinem Gesicht entfernt hatte, war plötzlich wieder genau zwischen meine Augen gerichtet.
    »Warte mal einen Moment«, sagte er, und ein Ton, den ich nicht mochte, lag plötzlich in seiner Stimme. »Du bist doch dieses Mädchen, oder? Nora Grey«, rief er aus, als wäre mein Name ein automatischer Reflex.
    Ich trat einen Schritt zurück. »Woher wissen Sie meinen Namen?«
    »Aus dem Fernsehen. Die Belohnung. Hank Millar hat sie ausgesetzt.« Was auch immer er dann sagte, trieb an mir vorbei. Marcie Millar war für mich das, was einem Erzfeind am nächsten kam. Was hatte ihr Vater mit mir zu tun?
    »Du wirst seit Ende Juni gesucht.«
    »Juni?«, wiederholte ich, während ein Funken Panik in mir aufstob. »Wovon reden Sie da? Es ist April.« Und wer suchte nach mir? Hank Millar? Warum?
    »April?« Er glotzte mich merkwürdig an. »Wie kommst du denn darauf, Kindchen, es ist September.«
    September? Nein. Das konnte nicht sein. Ich müsste es doch wissen, wenn mein zehntes Schuljahr vorüber wäre. Ich wüsste es doch, wenn die Sommerferien begonnen und wieder geendet hätten. Ich war gerade erst vor ein paar Minuten hier aufgewacht, orientierungslos, das schon, aber doch nicht blöde.
    Aber warum sollte der Mann lügen?
    Jetzt, wo er die Taschenlampe heruntergenommen hatte, sah ich ihn mir an, bekam ein komplettes Bild. Seine Jeans waren fleckig, seine Gesichtsbehaarung buschig, weil er sich mehrere Tage nicht rasiert hatte, seine Fingernägel lang und schwarz unter den Rändern. Er sah den Vagabunden erschreckend ähnlich, die die Eisenbahnschienen entlangliefen und in den Sommermonaten oben am Fluss ihre Unterkünfte bauten. Es war bekannt, dass sie Waffen trugen.
    »Sie haben Recht, ich sollte machen, dass ich nach Hause komme«, sagte ich, ging rückwärts und legte meine Hand auf meine Tasche. Die vertraute Ausbuchtung meines Handys fehlte. Meine Autoschlüssel auch.
    »Und wo meinst du, dass du hingehst?«, fragte er und folgte mir.
    Mein Magen zog sich bei seiner plötzlichen Bewegung zusammen, und ich fing an zu rennen. Ich rannte in die Richtung, in die der Steinengel zeigte, in der Hoffnung, dort das Südtor zu finden. Ich hätte den Nordeingang genommen, den ich kannte, aber dazu hätte ich dem Mann entgegenrennen müssen, statt vor ihm wegzulaufen. Der Boden verschwand unter meinen Füßen, und ich stolperte einen Berg hinunter. Zweige zerkratzten meine Arme; meine Schuhe schlugen auf den unebenen und steinigen Boden.
    »Nora!«, rief der Mann.
    Ich wollte mich dafür schütteln, dass ich ihm gesagt hatte, wo ich wohnte. Was, wenn er mich verfolgte?
    Seine Schritte waren länger, und ich hörte, wie er aufholte. Ich schlug wild mit den Armen, schlug die Zweige zurück, die sich wie Krallen in meinen Kleidern verfingen. Seine Hand ergriff meine Schulter, und ich schwang herum, schlug sie weg. »Fassen Sie mich nicht an!«
    »Jetzt warte doch mal eine Minute. Ich habe dir von der Belohnung erzählt, und die will ich auch kriegen.«
    Er griff ein zweites Mal nach meinem Arm, und in einem Adrenalinschub trat ich ihm gegen das
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