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Rette mich

Rette mich

Titel: Rette mich
Autoren: Becca Fitzpatrick
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ausgerissen haben. Aber damit das funktioniert, dürfen wir nicht miteinander in Verbindung gebracht werden«, warnte er.
    Ohne Zögern schüttelte Hank ein paar Blutstropfen von seiner verstümmelten Hand ins Gras zu seinen Füßen. »Ich schwöre, Nora freizulassen, bevor der Sommer zu Ende ist. Wenn ich meinen Eid breche, soll ich sterben und wieder zu dem Staub werden, aus dem ich gemacht wurde.«
    Der Engel zog sein Hemd über die Schultern und stützte die Hände auf die Knie. Sein Oberkörper hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Mit einer Tapferkeit, die Hank gleichzeitig verabscheute und ihm neidete, sagte der Engel zu ihm: »Nun macht schon.«
    Hank hätte ihm gern selbst die Ehre erwiesen, aber seine Vorsicht war stärker. Er konnte nicht sicher sein, ob er nicht Spuren von Teufelskraft an sich trug. Wenn die Stelle, an der die Flügel eines Engels am Rücken hafteten, so sensibel war, wie die Gerüchte behaupteten, dann könnte ihn eine einzige Berührung verraten. Er hatte zu hart gearbeitet, um so spät im Spiel noch einen Fehler zu begehen.
    Er bezwang sein Bedauern und wandte sich an seine Männer. »Reißt dem Engel die Flügel aus und macht hinterher hier sauber. Dann werft seinen Körper vor die Tore des Delphic, wo er mit Sicherheit gefunden wird. Und sorgt dafür, dass ihr nicht gesehen werdet.« Er hätte gern befohlen, den Engel mit seinem Brandzeichen zu markieren – einer geballten Faust –, einem sichtbaren Zeichen seines Triumphs, was seinen Ruhm unter den Nephilim mit Sicherheit gemehrt hätte, aber der Engel hatte Recht. Wenn es klappen sollte, dann durfte kein Beweis mehr existieren, dass sie miteinander Kontakt gehabt hatten.
    Zurück beim Auto blickte Hank zum Friedhof. Es war bereits vorüber. Der Engel lag auf dem Bauch auf dem Boden, ohne Hemd, mit zwei blutigen Wunden, die sich über seinen Rücken zogen. Obwohl er nicht den geringsten Schmerz gespürt hatte, schien sein Körper doch durch den Verlust in einen Schockzustand geraten zu sein. Hank hatte außerdem gehört, dass die Narben ausgerissener Flügel die Achillesferse eines Engels waren. Da hatten die Gerüchte wohl Recht.
    »War’s das für heute?«, fragte Blakely ihn, der von hinten zu ihm kam.
    »Noch ein Anruf«, sagte Hank mit ironischem Unterton. »An die Mutter des Mädchens.«
    Er wählte und hielt das Handy ans Ohr. Er räusperte sich und sagte dann mit angespannter und besorgter Stimme: »Blythe, meine Liebe, ich habe gerade deine Nachricht erhalten. Die Familie und ich waren im Urlaub, und ich bin gerade auf dem Weg zum Flughafen. Ich nehme den nächsten Flug nach Hause. Erzähl mir alles. Was meinst du mit entführt? Bist du sicher? Was hat denn die Polizei gesagt?« Er hielt inne und lauschte kurz ihrem erstickten Schluchzen. »Hör mir zu«, sagte er dann bestimmt. »Ich bin für dich da. Ich werde alles Menschenmögliche tun. Wenn Nora irgendwo da draußen ist, dann werden wir sie finden.«

Eins
    Coldwater, Maine, Gegenwart
    N och bevor ich die Augen aufschlug, wusste ich, dass ich in Gefahr war.
    Ich rührte mich, als ich Schritte näher kommen hörte. Ein leises Flackern von Schlaf blieb zurück, dämpfte meine Konzentration. Ich lag flach auf dem Rücken, ein Luftzug drang durch mein Hemd. Mein Nacken war in einem schmerzhaften Winkel verdreht; langsam öffnete ich die Augen. Lange Steine ragten aus dem blauschwarzen Nebel. Einen merkwürdigen, kurzen Augenblick lang hatte ich ein Bild von schiefen Zähnen vor Augen, dann sah ich sie als das, was sie wirklich waren. Grabsteine.
    Ich versuchte, mich aufzusetzen, aber meine Hände glitten auf dem nassen Gras aus. Ich kämpfte immer noch mit dem Schleier aus Schlaf, der um meine Gedanken lag, und rollte mich seitwärts aus einem halb versunkenen Grab, wobei ich meinen Weg aus dem Dunst herausfühlte. Die Knie meiner Hose sogen sich mit Tau voll, als ich zwischen den unregelmäßig verteilten Gräbern und Grabsteinen herumkroch. Ein Schimmer von Erinnerung tauchte auf, aber das war ein Nebengedanke; wegen des unerträglichen Schmerzes, der in meinem Kopf herrschte, konnte ich mich nicht dazu bringen, mich zu konzentrieren.
    Ich kroch an einem schmiedeeisernen Zaun entlang, wobei ich eine Lage verrotteten Laubs platt stampfte, die schon jahrelang dort lag. Ein geisterhaftes Heulen wehte von oben herunter, und obwohl es mich erschauern ließ, war es doch nicht das Geräusch, das mich am meisten ängstigte. Die Schritte trampelten über das Gras hinter mir,
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