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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken
Autoren: Meschner Moritz
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dem ein schwarzbepelztes Wolfsungetüm aus genau diesem Hausflur schießt. Und wir hätten es auch bis zum Zaun geschafft, wäre der Weg nicht weiter gewesen als der bis zur Garage, die nur ein paar Schritte entfernt vor uns lag. Und wäre da eben nicht dieses schwarze Wolfsungetüm aufgetaucht, das uns locker beide zusammen vernaschen könnte.
    In wilder Panik springen wir auf den Fenstervorsprung der Garage, krallen uns an der darüber liegenden Dachrinne fest und ziehen uns daran hoch, bevor der Riesenhund uns sehen kann.
    Dann hören wir, wie die Haustür sich schließt und unter uns ein leises und hungriges Knurren, das ich alter Discovery-Channel-Gucker als den ersten Teil der Witterungsaufnahme werte.
    »Ich hasse dich!«
    Max hat die Beine angewinkelt und hält sich an einem Dachziegel fest, um bloß nicht runterzurutschen und in dem Maul der schwarzen Bestie zu landen. Ich sitze neben ihm auf dem Dach und klammere mich ebenfalls ängstlich irgendwo fest.
    »Hey, tut mir leid. Ich habe mir das auch alles anders vorgestellt.«
    »Ach ja?! WIE DENN ???«
    Unter anderen Umständen wäre dies ein wirklich angenehmer Nachmittag. So wie wir vor ein paar Tagen noch auf Max’ Dach gesessen haben, sitzen wir jetzt eben auf einem anderen Dach und gucken in die langsam untergehende Sonne. Nur, dass wir eben nicht runter können.
    »Hast du gehört, was Silvio gerade gesagt hat?«
    »Was meinst du? Ich war ein bisschen zu sehr damit beschäftigt, die Dornen von meinen Augen wegzuhalten und DANN damit, meinen Körper vor einem Werwolf in Sicherheit zu bringen!«
    »Silvio hat gesagt, er würde ihren Kamin anmachen!«
    »Und wenn er gesagt hätte, er würde jetzt eine Ode an einen Gabelstapler schreiben, ES IST MIR SCHEISSEGAL !«
    »Ich meine ja nur, ich habe endlich eine Idee.«
    Vorsichtig stehe ich auf und stütze mich mit den Händen ab, um höher aufs Dach zu gelangen.
    »Was soll denn das schon wieder werden?«
    Ich ignoriere Max und klettere weiter. Der Schornstein ist zum Greifen nah. So also muss sich Reinhold Messner gefühlt haben, kurz bevor ihm der große Zeh abgefroren ist.
    »Meschner«, flüstert Max angestrengt, »was machst du da?«
    »Ist doch ganz einfach«, sage ich, lasse die Dachziegel los, und breite meine Arme aus wie Charlton Heston alias Moses in » Die 10 Gebote « . »Ich pisse ihm auf den Kopf.«
    »WAS?!«
    »Ich pisse Silvio auf den Kopf!«
    Max guckt mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
    »Hallo?«, sage ich. »Wenn ich sogar besoffen noch meine Kloschüssel treffe, dann werde ich es ja wohl auch auf die Glatze von ’ nem Arschloch schaffen!«
    Ich hole meinen Schwanz raus und halte ihn direkt über das Loch im Schornstein. Was für ein erhebender Moment! Die untergehende Sonne wirft ihre letzten Strahlen auf mich, ich habe ordentlich Druck auf der Blase, und Silvio wird vermutlich gerade da unten mit einem kleinen Schäufelchen im Kamin knien und an nichts Böses denken. Dabei steht nur ein paar Meter über ihm seine Nemesis! Und die wird gleich in Frau Boltes Schornstein pissen! Doch gerade als ich loslegen will, entert ein vollkommen absurder Gedanke mein bräsiges Alki-Hirn, und ich packe meinen Piephahn wieder ein.
    »Sag mal, weißt du eigentlich, dass wir Max und Moritz heißen?«
    »Hä?«
    »Es ist mir schon klar, dass du das weißt. Aber es ist doch sehr seltsam, dass wir Max und Moritz heißen, und dass wir gerade auf dem Dach von Witwe Bolte stehen, oder?«
    Max sieht nicht so aus, als wolle er sich darüber Gedanken machen. Seine Finger umklammern steif die braunen Dachziegel, und seine Augen blitzen mich wütend an.
    »Ich meine, ich weiß nicht, ob Frau Bolte eine Witwe ist, jedenfalls wohnt sie hier scheinbar alleine, und wir sind Max und Moritz, und ich stehe gerade vor ihrem Schornstein. Das ist alles, was ich sagen will.«
    »Dann nimm doch eine Angel und hol uns ein paar knusprige Brathähnchen nach oben!«
    »Ich finde das ja nur seltsam.«
    Als ich ein kleines Kind war, konnte ich die gesamte Geschichte von Max und Moritz auswendig. Meine Eltern haben noch eine Kassette, auf der ich jede einzelne Strophe, jeden Vers fehlerfrei aufsage. Und ich erinnere mich auch noch genau an die Szene, in der Max und Moritz auf Witwe Boltes Dach stehen. Wie Wilhelm Buschs Kindervers-Epos ausging, weiß ich leider nicht mehr so genau. Ich befürchte allerdings, dass Max und Moritz am Ende krepiert sind.
    Ich hebe meinen Kopf und schaue über das Dach, und ich bekomme eine
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