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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund
Autoren: Sabine Koch
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nur weil du mich anlächelst? Weißt du, wie sehr es mich anmacht, wenn ich sehe, wie du gehst, dich bewegst?“ Meine Worte purzelten mir nur so von den Lippen.
    Ryans Gegenwehr erlahmte schon nach den ersten Worten. Jetzt stand er ganz still, so als wolle er jede einzelne Silbe in sich aufnehmen. Ich konnte ihn nicht einmal atmen hören, fühlte nur seinen Herzschlag unter meiner Hand, spürte wie es aufgeregt klopfte. „Glaubst du mir, dass es mir niemals um Rache gegangen ist? Dass ich nur wieder mit dir zusammen sein, mit dir reden wollte, so wie früher? Dieser unerwartete Zusammenstoß … es war wie ein Zeichen.“ Ich schwieg. Dann griff ich mit der Linken in meine Hosentasche. Zog ein gefaltetes Blatt daraus hervor. Es war an einer Seite mit Klebestreifen repariert. „Hier.“
    „Was hast du da?“, fragte Ryan leise und griff danach. Er klappte es auseinander. Ich hörte, wie er vor Schreck tief Luft holte.
    Ich sah nicht hin. Nur zu gut wusste ich, was er da betrachtete.
    Es war ein Bild von mir. Dem Prinzen der Finsternis, genauer gesagt zeigte es eine Art böser Antihelden-Karikatur. Es war nichts Besonderes, nur schnell dahingekritzelt, so als Zeitvertreib vermutlich. Ryan hatte Farbstifte benutzt und alles furchtbar überspitzt. Da wurde aus dem weiß getuschten Gesicht, dem schwarzen Eyeliner ein hässlicher, zähnebleckender Totenschädel. Aus den roten Kontaktlinsen wurden glühend brennende Höllenaugen, aus denen lodernde Flammen hervor schlugen. Der Ledermantel wandelte sich in eine massive, Dornen bewehrte Rüstung. Diese Zeichnung war düster und bedrückend. Abweisend. Verstörend. Ein Spiegel.
    Ja, Ryan hatte Talent, das musste ich ihm lassen.
    „Woher hast du es?“ Ryan klang verlegen. Sein Blick suchte kurz den meinen in der Fensterscheibe, dann starrte er wieder auf die Zeichnung.
    „Es wehte mir buchstäblich über den Weg, neulich, als wir bei deinem zerstörten Fahrrad standen“, antwortete ich. „Du hast nicht gesehen, wie ich es an mich genommen habe. Es war …“ Ich zuckte bloß mit den Schultern, konnte nicht in Worte fassen, was in mir vorgegangen war, als ich es genauer betrachtete, ich verstand, was ich da in Händen hielt.
    Ich seufzte und deutete auf die Skizze. „So also sah mich der Mensch, den ich liebte.“ Ryan wollte etwas sagen, doch ich sprach hastig weiter. „Warte! Du hattest recht, ich habe mich versteckt. Hinter all dem Leder, der weißen Maske, den Nieten, dem ganzen Kram. Ich musste es tun, weil ich sonst vor die Hunde gegangen wäre.“
    Schonungslos breitete ich mein Innerstes vor ihm aus. Hielt nichts zurück. Offenbarte ihm all die Dinge, die mich dazu getrieben hatten. Erzählte von den Reporten, von den aufgebrachten Fans. Den Anfeindungen. Erzählte ihm von dem Mistkerl, der glaubte, mich aus dem Haus prügeln, und meine Mutter in Ruhe um ihr Geld bringen zu können.
     
    Die ganze Zeit über standen wir dicht beieinander, Ryan wollte sich zu mir herumdrehen, doch ich ließ es nicht zu. Es fiel mir sehr viel leichter, darüber zu reden, wenn er mich nicht direkt ansah.
    „Diese Verkleidung machte mich nach außen hin stark“, erklärte ich ihm leise. „Unangreifbar. Unverwundbar. Doch sie schnitt mich auch immer weiter vom Leben ab. Als ich wieder auf dich traf, mir eingestand, wie sehr du mir fehltest, wollte ich da wieder raus, wieder der Tyler von früher sein. Leider hatte ich keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte. Ich wusste nur, alleine würde ich es niemals schaffen. Doch an wen sollte ich mich wenden? Es gab niemanden mehr.“
    Ich hielt inne, leckte mir über die trockenen Lippen. Während meiner kleinen Rede hatte ich Ryan nicht aus den Augen gelassen. Beobachtetet ihn in der Scheibe. Sah, wie sich Traurigkeit und Kummer mit Verstehen auf seinen Zügen abwechselten. Sah, wie ihm helle Tränen des Mitleids in die Augen sprangen. Doch er weinte sie nicht, irgendetwas in meinem Gesicht schien ihm zu raten, es besser sein zu lassen. Für einen kurzen Moment war seine Miene neutral, dann war da die Bereitschaft, mir zu glauben – und zu verzeihen.
    Erleichterung durchrieselte mich wie ein warmer Strom, vertrieb auch die letzten der Dämonen, die sich so lange in mir festgebissen hatten.
    „Und dann – dann hatte ich diese völlig irrsinnige Idee mit dem Mustang“, kam ich zum Schluss meiner Geschichte. „Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, ich tat es einfach. Lief zu Big Eddy und holte die Karre. Überrumpelte dich
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