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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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kopiert.
    Als Wilhelm mit dem Tonband kam, sagte ich ganz beiläufig: »Ich brauche das Ding nur als Hintergrund für ein etwas dünnes Manuskript.« Ihm war das offensichtlich völlig egal, und nach einem schnellen Aufgesetzten verschwand er wieder.
    Ich erinnerte mich jetzt, dass sehr viele Fotografen da gewesen waren oder jedenfalls viele Menschen mit Fotoapparaten. Und immer hatte dieser Mann krampfhaft versucht, all den Linsen auszuweichen. Das war mir aufgefallen, weil es mir ziemlich theatralisch vorgekommen war, und ich hatte mir die Mühe gemacht, ihn ein paarmal sehr schön zu treffen.
    Es war nicht schwierig, auf dem Band die betreffende Stelle zu finden. Der Minister sagte pathetisch leise: »Und nun zu Ihnen, Herr Doktor Steinen.« Pause, Husten, Räuspern. »Ich darf Ihnen stellvertretend diese hohe Ehrung seitens der Bundesregierung zuteil werden lassen.« Wieder Stille, wieder Räuspern, ein einzelner klatschte höflich. Dann erneut der Minister: »Und nun komme ich zu meinem Jugendfreund Franz Xaver Rallinger aus dem Berchtesgadener Land. Dir, lieber Franzel…«
    Ich war wütend. Ich rief in Bonn an, und es dauerte eine Weile, ehe er ans Telefon kommen konnte.
    »Baumeister hier. Sie haben auf mich eigentlich nicht den Eindruck eines berufsmäßigen Lügners gemacht, aber ich möchte schon wissen, wieso Sie mich beschissen …«
    »Ich habe es fast erwartet«, unterbrach er meine Beschimpfung. »Aber ich wüsste trotzdem gern, wie Sie darauf gekommen sind. Es sei denn …«
    »Es sei denn, was?«
    »Na ja, es sei denn, dass Sie heute Nacht doch nicht so zufällig am Langen Eugen aufgekreuzt sind.«
    »Es war Zufall. Mein Ehrenwort gebe ich in diesem unserem Lande allerdings nicht mehr.«
    »Und haben Sie auch schon einen Namen für Herrn Lewandowski?«
    »Steiner, Doktor Steiner. Und was machen wir jetzt?«
    »Ich weiß es nicht«, murmelte er undeutlich, »ich weiß nicht was Sie machen. Ich mache nichts, ich kann nichts mehr machen.«
    »Auf jeden Fall will ich mit Ihnen sprechen.«
    »Ja, ja«, knurrte er, und es war deutlich, dass er das alles zum Kotzen fand. »Das Beste ist, Sie vergessen den Vorfall schleunigst.«
    »Sie vergessen gerade etwas. Meinen Beruf nämlich. Wann kann ich also zu Ihnen kommen?«
    »Sie zu mir? Überhaupt nicht! Das Ding ist zu heiß.«
    »Dann treffen wir uns auf neutralem Boden. Ich habe nämlich eine ganze Menge Fragen.«
    »Aber ich weiß kaum etwas. So gut wie nichts. Vergessen Sie es doch einfach.«
    »Guttmann, Sie machen mich krank. Wo treffen wir uns?.«
    »Kann ich heute zu Ihnen rauskommen?«
    »Sie zu mir? Dann muss es wirklich stinken. Gut, heute Abend um neun. Und bringen Sie Ihre Unterlagen mit.«
    »Es gibt keine Unterlagen«, sagte er kühl.
    »Und der Penner, der Lewandowski erschlagen hat?
    »Den gibt es auch nicht.« Und er legte auf.
     
    2. Kapitel
     
    Als ich nach dem Gespräch nachdenklich aus dem Fenster sah, überkam mich eine fast euphorische Stimmung: Kein Nebel mehr, kein Regen, stattdessen fiel sanft und nachdrücklich der erste richtige Schnee dieses Winters. Es war wie ein Wunder.
    »Krümel, hör zu, wir können endlich das Vogelfutter raustragen. Alle werden sie kommen, die Meisen und Buchfinken und Spatzen und Dompfaffen und Hänflinge und Amseln und Stare. Stare? Sind das nicht Zugvögel? Ist ja egal, hörst du, es fällt Schnee!«
    Krümel war nicht da. Ich fand sie auf dem Küchentisch andächtig vor dem Milchtopf mit dem engen Hals sitzend, den ich eigens angeschafft hatte, um ihrer Gier einen Riegel vorzuschieben. Sie hatte endlich den Weg gefunden. Mit der Pfote langte sie tief in die Milch und leckte sie dann genüßlich ab. Auf mein lautstarkes Schimpfen ging sie gar nicht ein, also ließ ich sie weiterklauen. Werdende Mütter sind sensibel.
    Später dann spaltete ich zwei Stunden Anmachholz, ging mit Krümel durch den Schnee im Garten und beschloss, im Frühjahr eine Birke an die östliche Begrenzungsmauer zu setzen. Es wurde rasch dunkel, aus Nordwest kam ein scharfer, kalter Wind, das Feuer im Kamin ließ die Schatten tanzen.
    Der Mann mit den Echsenaugen war pünktlich und ersparte mir jeden Small talk. Er kam aus der Nacht, hockte sich vor den Kamin, rieb sich die Hände und murmelte anerkennend: »Schön haben Sie es hier.« Dann eröffnete er mit dem erstaunlichen Satz: »Tja, ich bin schnell vorbeigekommen, um mir Ihr Versprechen zu holen, dass Sie sich nicht mehr um diesen toten Lewandowski kümmern.« Wieder dieser
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