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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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Seine Augen mussten, als sie noch funktioniert hatten, grau gewesen sein, so grau wie Eiswasser auf einer zugefrorenen Pfütze. Ein fast asketisches Gesicht, schmal in den Wangen, eingefallen wie das Gesicht eines Mannes, der viel im Freien ist, der das Joggen übertreibt, vielleicht magenkrank ist. Aber das mochte natürlich am Tod liegen. Ich vergrößerte ein Stück des Gesichtes heraus, die linke Hälfte vom Kinnbogen bis unter das Auge. Der Bart schien tatsächlich drei bis vier Tage alt zu sein. Aber die Haut war, trotz der Bartstoppeln, sehr glatt, sehr gepflegt, kleinporig. Ich vergrößerte die Stirn heraus. Da war es noch deutlicher zu sehen: Das war nicht die Haut eines Mannes, der wie ein Penner lebt. Viel zu glatt, viel zu sanft.
    Krümel saß auf dem Badewannenrand und sah mir zu. Im Rotlicht schimmerten ihre Augen wie kostbare Jadestücke.
    »Vielleicht war er ein ganz neuer Penner«, überlegte ich. »Es kann ja vorkommen im Leben, dass jemand abrutscht, abstürzt, keine Lust mehr hat, plötzlich zum Penner wird. Vielleicht war Lewandowski einer von dieser Sorte? Was meinst du, Katze?«
    Sie antwortete mir nicht direkt, sondern leckte sich bedeutungsvoll die Pfote.
    »Okay, ich werde mir die Haare ansehen, ob er sie selbst geschnitten hat oder vielleicht ein Kumpel dran herumsäbeln durfte.«
    Ich vergrößerte also die Haaransätze heraus, an den Schläfen, wo kein Blut und keine Hirnmasse alles verklebt hatten. Trotz Regen und Dreck wurde eines klar: Da war ein Friseur dran gewesen, kein Amateur. Die feinen Abstufungen waren deutlich zu erkennen; das musste einmal ein teurer Messerschnitt gewesen sein.
    Endlich die Hände: feinnervig, mit langen Fingern und zwar schmutzigen, aber völlig intakten Nägeln. Keine rauen Hautstellen im Winkel zwischen Haut und Nägeln, nicht einmal Schmutz.
    »Dieser Lewandowski war nie im Leben ein Penner«, erklärte ich Krümel. »Oder er war erst seit gestern in der Branche.«
    Dieser Guttmann von der Mordkommission hatte einen intelligenten Eindruck gemacht, er musste das alles gesehen haben. Er hatte den Mund gehalten. Soviel zum Vertrauen zu Männern mit Echsenaugen.
    »Du könntest mir helfen, Katze, und mir sagen, wer Lewandowski wirklich war, als er noch lebte. Du und deinesgleichen, ihr wart in Ägypten heilig, weil eure Augen aussehen, als leuchte aus ihnen die Weisheit. Also sag’s mir, denn Guttmann wird es uns nicht sagen wollen. Oder er darf nicht.«
    Aber Krümel half mir nicht, sie streifte hinter mir her in das Arbeitszimmer und sah mir zu, wie ich in meinen Karteikästen wühlte. Das brachte nichts. Dann nahm ich mein Tagebuch vom vergangenen Jahr, was aber auch nichts half, da ich nicht den geringsten Anhaltspunkt hatte, wonach ich eigentlich suchen sollte. Schließlich legte ich mich auf das Sofa und dachte nach. Ich war schon fast eingeschlafen, als Krümel auf meinen Bauch sprang, sich etliche Male drehte, ehe sie sich zusammenrollte, ausgiebig gähnte und zufrieden schnurrend die Augen schloss.
    Um elf Uhr wurde ich wach, weil das Telefon läutete, und ich wusste augenblicklich, dass es Guttmann war.
    »Guten Morgen«, sagte er aufgeräumt. »Ich wollte Ihnen nur schnell mitteilen, dass Sie in der Sache Lewandowski nichts mehr zu erwarten haben. Wir haben den Mörder, oder richtiger den Totschläger. Die Fahndung hat ihn heute Morgen in der Tiefgarage am Bonner Markt erwischt. Der Penner hat zugegeben, dass Lewandowski sein bester Kumpel war und gestern mit ihm gesoffen hat. Sie wollten in der Tiefgarage schlafen und heute Morgen zu den Barmherzigen Schwestern gehen und sich eine Suppe geben lassen. Der Mann sagt, er kann sich an nichts erinnern. Er weiß aber noch, dass Lewandowski zwei oder drei Flaschen Schnaps spendiert hat.
    Die haben dermaßen gesoffen, dass ihnen der Faden gerissen ist.« Kurzes Zögern. »Ich glaube das sogar, denn er ist eigentlich nicht der Typ, der einem anderen den Schädel einschlägt.« Er räusperte sich. »Tja, das war’s eigentlich schon.«
    »Eine Frage: Wie viel Alkohol hatte das Opfer im Blut?«
    Wieder so ein Stocken. »Genug, genug. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass an der Sache nichts dran ist.«
    »Das ist nett von Ihnen«, sagte ich. »Wenn Sie mal in die Eifel kommen, schauen Sie einfach rein. Hier gibt es noch luftgetrockneten Schinken, der so schmeckt, wie er aussieht, und andere altmodische Dinge.«
    Er sagte: »Das mache ich«, und es klang merkwürdig kleinlaut. Zumindest in meinen Ohren.
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