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Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Titel: Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
Autoren: Angelika Schroeder
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der Mordkommission.
    „Guten Tag, Herr Kersting!” Da Sandra in ihre Klasse gegangen war, kannte sie den Polizisten bereits recht gut. Er hatte sie damals häufiger aufgesucht und immer wieder Fragen gestellt. „Es tut mir Leid, Sie unter diesen Umständen wiederzusehen. Ich hatte gehofft, Sie hätten inzwischen den Mörder von Sandra gefunden.”
    „Sie wissen, was passiert ist?”
    „Eine Mutter erzählte es mir gerade. So etwas spricht sich schnell herum. Der arme Junge.”
    „Benjamin gehörte zu Frau Stellmanns Klasse”, sagte der Rektor, „doch sie ist schon weg, und deshalb dachte ich, Sie könnten der Polizei weiterhelfen. Sie haben doch auch Unterricht in der 3b und kennen … äh, kannten den Jungen. Ich weiß leider nur wenig über ihn.” Ächzend ließ er sich auf dem schweren Sessel hinter dem Schreibtisch nieder. Seine halbe Brille rutschte auf die Nasenspitze, als er erst nach unten und dann über deren Rand hin zu Helga blickte.
    „Ja, natürlich, doch viel kann ich nicht sagen. Frau Stellmann ist die Klassenlehrerin und weiß mehr über die einzelnen Kinder als ich. Ich unterrichte nur Kunst und Musik in der Drei, und da lernt man die Kinder längst nicht so gut kennen.” Helga spielte mit ihrem schweren, silbernen Armreif, während sie in Gedanken einige schulische Szenen mit Benni in der Hauptrolle durchlebte. Es waren keine angenehmen Erinnerungen.
    Um diese beiseite zu schieben, stand sie auf und ging zum Lichtschalter neben der Tür. Schwarze Wolken verdeckten die Sonne, rissen plötzlich auf und spuckten Hagelkörner aus, die laut gegen das Fenster prasselten.
    „Gibt es schon Hinweise? War es der gleiche Täter wie bei Sandra?”, fragte sie.
    „Leider wissen wir noch zu wenig, um diese Frage eindeutig bejahen zu können.”
    „Haben Sie denn wenigstens irgendeine Idee, warum jemand so etwas Furchtbares tut?”, mischte sich der Rektor ein.
    „Ideen schon, nur nützen sie uns nicht viel, solange es keine Beweise gibt. Aber wenn wir herausbekommen, was die zwei miteinander verband … vielleicht finden wir dann etwas.” Er wandte sich nun direkt an Helga. „Also erzählen Sie, was Sie über den Jungen wissen. Kannte er Sandra?”
    „Ich glaube nicht. Bestimmt waren sie nicht befreundet. Ich habe sie nie zusammen spielen sehen. Sie gingen in verschiedene Klassen und wohnten auch nicht nahe beieinander. Aber da sie beide unsere Schule besuchten, besteht natürlich die Möglichkeit, dass sie sich wenigstens oberflächlich kannten. Vom Wesen her unterschieden sie sich sehr. Sandra war mehr introvertiert, sie verhielt sich lange Zeit sehr ruhig, fraß alles in sich hinein und konnte dann, ganz plötzlich, in die Luft gehen, trotzig und bockig werden, während Benjamin scheinbar über ein überdimensionales Selbstbewusstsein verfügte. Er spielte den King in der Klasse, und wehe, er bekam nicht die Aufmerksamkeit, die er sich wünschte.”
    „Was dann?”
    „Dann konnte er so lange und so massiv stören, bis kein Unterricht mehr möglich war. Er stieß die Wassertöpfe um, warf mit Stiften, bespritzte die Bilder der anderen.” Helga hielt erschrocken inne, als sie den Ärger spürte, der in ihr hochkam.
    „Was tun Sie in so einem Fall?”
    Die Lehrerin schaute auf und registrierte überrascht das Interesse des Polizisten. Sie verkniff sich einen vielsagenden Blick zum Rektor, der jede Ordnungsmaßnahme bisher erfolgreich verhindert hatte, da er um den Ruf der Schule fürchtete. Einer derartigen Vorgehensweise mussten Vertreter der Elternschaft zustimmen, und damit geriet sie in den Blick der Öffentlichkeit. So blieben allein die pädagogischen Maßnahmen, über die Benni nur gelacht hatte. Zusätzliche Arbeiten wurden grundsätzlich nicht erledigt, längeres Verweilen in der Schule geriet für ihn zur Belohnung, da sie mehr Unterhaltung bot als Wohnung oder Straße, verständnisvolles Zureden erwies sich als ebenso sinnlos wie Schimpfen. In den zwei Jahren, in denen sie den Jungen unterrichtet hatte, war es ihr nicht gelungen, Zugang zu ihm zu finden. Ihr Schulterzucken fiel dementsprechend hilflos aus, als sie antwortete. „Ich habe mit ihm geredet, immer und immer wieder, habe versucht, seine Kreativität zu fördern. Er hat mich mehr Zeit und Energie gekostet als der Rest der Klasse zusammen. Manchmal tat er mir Leid, und dann, wenn er wieder einen Mitschüler angespuckt oder getreten hatte … Er war schwierig, aber auch einsam”, beendete sie lahm ihre
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