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Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Titel: Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
Autoren: Angelika Schroeder
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aus, dann beginnt das Verdrängen und Vergessen. Nach und nach verringerte sich die Zahl der Abholer. Doch heute war das Grauen wieder da.
    Schweigend gingen sie durch die Pausenhalle, vorbei an Töpfen mit mannshohen Grünpflanzen, die hier ein kümmerliches Dasein fristeten.
    „Glauben Sie wirklich, dass die Kinder Ihnen weiterhelfen können?”
    „Wer weiß? Wir müssen unbedingt herausfinden, ob es Gemeinsamkeiten zwischen beiden Opfern gibt.”
    „Ich verstehe. Kennen Sie erst das Motiv, ist der Täter leicht zu finden.”
    „Richtig.” Kersting blieb stehen. Neugierig drehte Helga sich um. „Was ist?”
    „Hören Sie, hätten Sie Lust, anschließend mit mir irgendwo zu Mittag zu essen?” Kaum ausgesprochen hätte er die Worte am liebsten zurückgenommen. Über sich selbst überrascht, musterte er die Lehrerin. Er hatte schon weitaus attraktivere Frauen in seinen Armen gehalten. Doch obwohl ihre Gesichtszüge für seinen Geschmack zu herb waren, der Mund eine Spur zu schmal, die Nase zu lang, wirkte ihr Gesicht eigenartig anziehend. Ob es an der leicht geneigten Haltung des Kopfes lag oder an dem kaum sichtbaren Lächeln in den Augenwinkeln, wagte er nicht zu entscheiden. Auch nicht, ob sie eine gute Figur besaß, da sie diese unter weiten Pullovern und Hosen zu verbergen pflegte. Dezent geschminkt und unauffällig gehörte sie zu jenen Frauen, denen er normalerweise keinen zweiten Blick geschenkt hätte.
    Auch Helga staunte. Gewiss, sie hatten sich nach dem Tod der kleinen Sandra mehrmals unterhalten, aber es waren ausschließlich dienstliche Gespräche gewesen und dazu über ein unerfreuliches Thema.
    „Ich sitze seit heute Morgen an der Sache, habe noch nicht vernünftig gegessen und würde gern auch mal über angenehme Dinge reden. Also, wie wär’s?”
    Sie wurde von niemandem erwartet, und ihr Mittagsmahl konnte sie auch morgen noch aus der Tiefkühltruhe holen. „Gut, warum nicht?”, stimmte sie zu.
    Vor der Sporthalle mussten sie sich noch ein paar Minuten gedulden. Geschrei und Gelächter drang durch die geschlossene Tür. Ein Gemisch verschiedener Gerüche quoll ihnen aus den Umkleideräumen entgegen. Kersting hatte die Hände in den tiefen Taschen seines zerknitterten Mantels vergraben und trat von einem Fuß auf den anderen. Helga beobachtete ihn eine Weile, dann meinte sie: „Die Befragung der Kinder gefällt Ihnen nicht, oder?”
    „Nein! Es macht mir nichts aus, Verdächtige in die Mangel zu nehmen, ganz im Gegenteil, aber Kindern gegenüber fühle ich mich unwohl. Ich weiß nie, wie viel sie wirklich begreifen.”
    „Mehr als wir denken. Aber ich kann Sie verstehen, es ist schon schwer, mit Erwachsenen über den Tod zu reden, besonders über den gewaltsamen …” Sie schüttelte den Kopf und schwieg.
    „Ich bin jedenfalls froh, dass ich das Gespräch den Eltern überlassen kann, oder wollen Sie das übernehmen?”
    „Sie werden es heute Mittag noch früh genug erfahren. Nein, ich werde nichts sagen. Auch wenn ich, leider Gottes, Erfahrung mit Gesprächen dieser Art habe”, fügte sie bitter hinzu.
    Die Unterhaltung mit den Klassenkameraden ergab nichts Wesentliches. Manchmal spielte Benjamin im Park, manchmal in der Stadt, oft hielt er sich auch auf der Straße oder auf dem Schulhof auf.
    Kersting wirkte nachdenklich, als sie die Turnhalle verließen. „Bei einigen Kindern hatte ich den Eindruck, sie hätten uns mehr erzählen können, zum Beispiel der Stämmige mit dem blonden Kraushaar.”
    „Sie meinen René. Das ist ein ganz durchtriebenes Bürschchen. Er hat schon häufiger die Schule geschwänzt und laut Aussagen der Mitschüler auch schon des Öfteren geklaut.”
    „Dabei blickt er so unschuldig, als könnte er kein Wässerchen trüben.”
    „Das täuscht. Warten Sie mal.” Die Lehrerin versank in konzentriertes Nachdenken. Nach ein paar Minuten schaute sie wieder hoch. „Den Jungen habe ich in letzter Zeit häufig mit Benjamin auf dem Schulhof gesehen. Sie könnten Recht haben mit Ihrer Vermutung. Vielleicht sollten Sie ihn daheim besuchen.”
    „Genau das habe ich vor.”
    Ihm halfen – auch unbewusste – Empfindungen ebenso wie das, was gesagt oder verschwiegen wurde. Schon oft hatte er sich auf seine Intuition verlassen und Erfolg damit gehabt. Auch deshalb hatte er mit den Schülern reden wollen, um die Atmosphäre zu erspüren und ein Gefühl für Benjamins Umfeld zu bekommen.
    „Ich hoffe, sie sind gesprächiger, wenn sie wissen, worum es geht.” Er
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