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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen
Autoren: Arthur C. Clarke
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waren gleichfalls vernichtet, die ihren Kreditrahmen maximal ausgeschöpft hatten; die saßen jetzt praktisch ohne einen Pfennig da. Die Subsidiar-Datenstellen, über die persönliche Konten bedient wurden und der automatische Deckungstransfer bei Überziehung erfolgte, bombardierten nahezu zwanzig Prozent aller irdischen Haushalte mit Katastrophenwarnungen.
    In Wirklichkeit war es aber noch viel, viel übler. Die Hilfscomputer konnten nämlich nur einen kleinen Prozentsatz der Transfer-Orders effektiv bewältigen, weil das Datenvolumen in jeder Richtung alles überstieg, was vorher als Maximalbelastung berechnet und geplant worden war. Im Computerjargon: Das gesamte globale Finanzsystem sackte in einen »Cycle-Slip«Modus ab. Millionen und Milliarden von Informationsübermittlungen mit »geringerer Priorität« wurden vom Computersystem »zurückgestellt« und blieben hängen, damit solche mit »höherer Priorität« zuerst »bedient« werden konnten.
    Als Gesamtresultat des Staus in der Datenübermittlung ergab sich, dass in den meisten Fällen die EDV-Konten privater Bankkunden stunden-, ja tagelang nicht ordnungsgemäß debitiert werden konnten, um die wachsenden Verluste auf den Aktienmärkten abzudecken. Und sobald es den Kleininvestoren gedämmert hatte, was da los war, zogen sie los und gaben alles aus, was sie noch auf dem Konto hatten, ehe die Computer sämtliche Transfers durchführen konnten. Und als die Regierungen und Finanzkontrollbehörden endlich richtig erfasst hatten, was da los war, und Maßnahmen ergriffen, um dieser ganzen hektischen Entwicklung gegenzusteuern, war es bereits zu spät. Das verworrene und in Verwirrung geratene System war völlig zusammengebrochen. Um das Geschehene zu rekonstruieren, war es nötig, dass man höchst behutsam abstieß und die vorsichtshalber an etlichen hundert weit auseinander liegenden Orten verteilten Kontrollunterlagen wieder koordinierte.
    Über drei Wochen lang war das elektronische Geldmanagement-System, das sämtliche Geldtransaktionen beherrschte, für jedermann unzugänglich. Niemand wusste, über wie viel Geld er verfügte. Und da Bargeld schon seit langem aus der Mode gekommen war, hatten jetzt nur Verrückte und Sammler ausreichend Bargeld zur Hand, um einen Wochenvorrat an Nahrungsmitteln zu kaufen. Man begann sich das Lebensnotwendige per Tauschhandel zu beschaffen. Bürgschaften von Freunden oder persönlichen Bekannten ermöglichten vielen das Überleben zeitweilig. Aber dies war erst der Anfang der Quälerei. Jedes mal wenn die internationale Verwaltungsorganisation, die Aufsichtsbehörde über das globale Finanzsystem, verkündete, man werde nunmehr versuchen, wieder Ordnung zu schaffen, und die Menschen anflehte, sich von ihren Computerterminals fern zu halten, es sei denn »in Notfallen«, stieß das auf taube Ohren, das System wurde von Programmen überschwemmt, und die Computer brachen immer wieder zusammen.
    Es dauerte nur zwei Wochen länger, bis die Wissenschaftler sich auf eine Erklärung für die unerwartete zusätzliche Leuchtkraft des Halleyschen Kometen einigen konnten. Doch es dauerte über vier Monate, ehe die Menschen sich wieder auf zuverlässige Basisdaten-Informationen aus dem Global Network System verlassen konnten. Welche Kosten das anhaltende Chaos der menschlichen Gesellschaft verursachte, war nicht zu errechnen. Als endlich der normale elektronische Ablauf der wirtschaftlichen Aktivitäten wiederhergestellt war, befand sich die Welt in einem finanziellen Niedergang, der seinen Tiefststand erst zwölf Jahre später erreichen sollte. Und es sollte weit über fünfzig Jahre dauern, ehe das Weltbruttosozialprodukt wieder den Stand erreichte, den es vor dem Finanzkrach von 2134 gehabt hatte.

5 Nach dem Crash
    Es besteht einhellig die Überzeugung, dass das »Große Chaos« die menschliche Zivilisation in jeder Beziehung grundlegend veränderte. Kein Gesellschaftssektor blieb verschont. Katalysator für den relativ überstürzten Zusammenbruch der bestehenden Versorgungsinfrastruktur war der Markt-Crash mit dem darauf folgenden Kollaps des globalen Finanzsystems; dies allein hätte jedoch nicht genügt, um die Welt in eine nie da gewesene Depression zu stürzen. Die Folgen des ursprünglichen Crashs wären schlimmstenfalls eine »Komödie der Irrungen« gewesen, hätten nicht durch Planungsmängel so viele Menschen sterben müssen. Unbedarfte Nichtskönner in der Führungsspitze der Weltpolitik leugneten oder ignorierten
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