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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen
Autoren: Arthur C. Clarke
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ramanischen Raumschiffs in den frühen 30ern des 22. Jahrhunderts im inneren Sonnensystem hatte gewaltige Auswirkungen auf die Geschichte der Menschheit. Zwar änderte sich im menschlichen Alltag unmittelbar wenig, nachdem das Astronautenteam unter Commander Norton von der Begegnung mit Rama zurückgekehrt war; der klare unzweideutige Nachweis aber, dass irgendwo im Universum eine den Menschen weit überlegene Intelligenz existierte (oder zumindest existiert hatte) zwang zu einer Neubewertung der Stellung des Homo sapiens innerhalb des gesamtkosmischen Konzepts. Es zeigte sich nun eindeutig, dass auch andere chemische Grundstoffe, die zweifellos gleichfalls bei den gewaltigen Stellarkatastrophen im All entstanden waren, zu anderer Zeit, an anderem Ort zur Entstehung denkfähiger Intelligenz geführt hatten. Wer waren diese Ramaner? Warum hatten sie ein so gigantisches, hochkompliziertes Raumschiff gebaut und es auf diesen Ausflug in unsere Nachbarschaft gesandt? Viele Monate lang waren die »Ramaner« das interessanteste öffentliche und private Diskussionsthema.
    Weit über ein Jahr lang wartete die Menschheit mehr oder weniger geduldig auf ein weiteres spektakuläres Anzeichen der Präsenz der Ramaner im Universum. Auf allen Wellenlängen grasten Teleskope den Himmel ab, auf der Suche nach möglichen Zusatzinformationen über das sich entfernende fremde Raumschiff, aber man fand nichts. Die Himmel blieben stumm. Die Ramaner verschwanden ebenso rasch und unerklärlich, wie sie erschienen waren.
    Als Excalibur einsatzbereit war und seine ersten Himmelsabtastungen nichts Neues erbrachten, setzte ein deutlicher Wandel in der kollektiven Einstellung der Menschheit zu diesem Erstkontakt mit Rama ein. Über Nacht wurde die »Begegnung« zu einem Ereignis der Geschichte, etwas Vergangenem und damit Erledigtem. In Zeitungen und Zeitschriften wandelte sich der Tenor; hatten sie vordem begonnen: »Wenn die Ramaner zurückkehren ...«, so hieß es nun: »Sollte es jemals eine weitere Begegnung mit den Wesen geben, die das 2130 entdeckte gewaltige Raumschiff erbauten ...« Die anfängliche Bedrohung, sozusagen eine Art Pfandschein auf das künftige Verhalten der Menschheit, die man darin erblickt hatte, wurde rasch auf die Bedeutungslosigkeit einer historischen Kuriosität heruntergespielt. Es bestand nicht länger das dringliche Bedürfnis, sich mit Grundfragen zu befassen, wie etwa einer Wiederkehr der Ramaner oder welches Schicksal der menschlichen Gattung in einem von intelligenten Geschöpfen bevölkerten Universum bevorstehen könnte. Die Menschheit ließ sich wieder bequem in den Sessel zurückfallen - zumindest zeitweilig. Danach leistete sie sich einen derart gigantischen Ausbruch narzisstischer Verkrampfung, dass daneben sämtliche bekannten früheren Geschichtsperioden besonders stark ausgeprägten selbstsüchtigen Individualismus' als schwächlich-blutleer erscheinen müssen.
    Das Auftreten eines derart unverfrorenen genüsslichen Egoismus' in globalem Maßstab war nicht schwer zu begreifen. Als Folge der Begegnung mit Rama I war etwas in der menschlichen psychischen Grundstruktur verändert worden. Vorher konnte sich die Menschheit schmeicheln, das eine und einzige bekannte mit höherer Intelligenz ausgerüstete Lebewesen des Universums zu sein. Der Gedanke, dass der Mensch als soziales und Gemeinschaftswesen seine Geschicke, bis in die weite Zukunft hinein, kontrollieren könne, hatte als bedeutsamer Fixpunkt in nahezu sämtlichen gängigen Lebensphilosophie-Systemen eine wesentliche Rolle gespielt. Aber dass es diese Ramaner gab (oder gegeben hatte , die Zeitform spielt für die philosophischen Schlüsse keine Rolle), das veränderte alles. Der Mensch war plötzlich nicht mehr einzigartig, ja vielleicht sogar nicht einmal etwas Besonderes. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis das vorherrschende anthropozentrische Konzept des Universums unwiderruflich in Trümmer ging zerschmettert durch die klarere Erkenntnis, dass es die »Anderen« gibt. Es war darum nicht schwer zu begreifen, warum die meisten Menschen auf der Erde plötzlich ihre Lebensorientierung auf autistische Selbstbefriedigung umpolten; Literatur-kundige fühlten sich dabei an eine fast genau fünf Jahrhunderte frühere ähnliche Zeit erinnert, in der ein Dichter namens Robert Herrick die Jungfrauen seiner Zeit aufforderte, das Beste aus ihren flüchtigen Tagen zu machen: »Pflücket die Rose, eh sie verblüht; die Alte Zeit von hinnen
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