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Rendezvous in Tokio

Rendezvous in Tokio

Titel: Rendezvous in Tokio
Autoren: Jina Bacarr
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    „Die meisten Lovehotels kann man nur an einem Zeichen erkennen“, erklärte er, als könnte er meine Gedanken lesen. Er lenkte den Wagen in die Tiefgarage. „Obwohl einige Lovehotels, wie das berühmte in Yokohama, das wie die Queen Mary geformt ist, gerne mit ausländischen Wahrzeichen protzen.“
    „Haben die Leute nichts dagegen, wenn in ihrer Nachbarschaft ein Lovehotel eröffnet?“ Ich bemerkte die Autos in der Tiefgarage. Es waren mehr, als ich an einem verregneten Nachmittag vermutet hätte. Als ich genauer hinschaute, war ich überrascht, dass die Nummernschilder verdeckt waren, um die Besitzer und ihre Gäste vor neugierigen Blicken zu schützen.
    „Lovehotels außerhalb der Stadt sind oft wie Schlösser oder Raumschiffe geformt“, sagte Steve. „Aber in der Innenstadt muss es von außen in die Umgebung passen und sich den Häusern und Geschäften anpassen.“
    Mit einem dröhnenden Echo knallte die Stahltür hinter uns zu. Ich schauderte. Die Aussicht darauf, den Nachmittag mit Steve zu verbringen, ließ mich erröten, obwohl ich mich zerrissen fühlte zwischen Schuld, Sorge und Neugier.
    „Und was kommt jetzt, Mr. Bond?“, fragte ich und stieg aus dem Wagen. Ich schaute mich um. Beinah erwartete ich, japanische Arbeitskollegen zu sehen, die von ihren Wagen in das Hotel eilten und nicht gesehen werden wollten. Aber ich sah niemanden. Wir waren allein. Erst später fand ich heraus, dass wir über Videokameras beobachtet wurden, und niemand würde durch das Tor in die Tiefgarage fahren, bis wir im Innern des Hotels verschwunden und außer Sichtweite waren.
    „Dein Fahrstuhl erwartet dich“, sagte Steve.
    Ich grinste. „Worauf warten wir dann noch?“
    Meine Aufmerksamkeit war auf den gut aussehenden Mann gerichtet, der in dem beengten Fahrstuhl neben mir stand. Lichter blinkten. Ich hatte Probleme damit, das hier wie ein gewöhnliches, nachmittägliches Meeting zu behandeln. Die Wärme, die Steves Körper neben mir ausstrahlte, erzeugte eine Lust auf Leichtsinn, die ich nicht mehr verspürt hatte, seit ich mein Bikinihöschen am Abend meines Abschlussballs auf der Rückbank einer Limousine vergessen hatte. Ich gab mir Mühe, mich nicht in der Vorfreude auf das, was nun kommen würde, zu verlieren.
    „Ich habe gehört, in Tokio gibt es mehr als viertausend Lovehotels“, sagte Steve und brachte meinen Verstand, wenn auch nicht meine Hormone, wieder zurück auf die Erde. „Sie sind so beliebt, dass sie samstagabends und unter der Woche am Nachmittag auch gokiburihoihoi genannt werden.“
    Das brauchte er mir nicht zu übersetzen, ich wusste, was es hieß: Kakerlaken in einer Schachtel. Als gaijin lernte man diesen Begriff schnell, da das Land von dem allgegenwärtigen Ungeziefer verseucht war.
    Aber wo sind all die Leute? , fragte ich mich. Meine Augen schossen nach links und rechts, und meine Gedanken rasten. Wir durchquerten die in hellen Pinktönen gehaltene Hotellobby. Wenn man den Raum überhaupt eine Lobby nennen konnte. Es gab keinen Portier, es sei denn, man zählte eine vergoldete Kopie der Venus von Milo, die uns zuzwinkerte. Es gab nicht mal eine Rezeption. Nur eine verschlossene Kabine mit einem Briefkastenschlitz.
    Wir blieben vor einer großen Schautafel stehen. Schachbrettartig waren darauf beleuchtete Fotos zu sehen, und jedes Foto stellte eine beinahe disneyhafte Fantasie nach. Dunkle Felder zeigten an, dass die Räume bereits belegt waren. Mickey macht es Minnie auf jede nur erdenkliche Weise, dachte ich. Es gab den Wilden Westen, ein Hello-Kitty-Spielzimmer, ein französisches Bordell, den Heißluftballon, einen Boxring, ein Raumschiff, eine mittelalterliche Folterkammer, einen Harem, einen Rennwagen, Dschungel, sogar einen Raum mit beheiztem Swimmingpool.
    Und die Betten! Rotierend, vibrierend, massierend, bräunend, Wasserbetten. Ich hoffe, es war mit Evian gefüllt. Herzförmige Betten, ananasförmige, Düsenflugzeuge, es gab sogar einen 59er Cadillac mit Chromflossen und Rücklichtern.
    Unter jedem Zimmer waren zwei Preise aufgelistet. Der Preis für den durchschnittlichen Aufenthalt – ungefähr einen halben Tag – betrug etwa 200 $. Blieb man über Nacht, kostete es das Doppelte. Anders als in Hotels drüben in den Staaten, wurden wir beim Einchecken nicht nach unserer Kreditkarte gefragt. Später sollte ich aber erfahren, dass es in einigen Lovehotels Yenmeter gab, damit man weiß, wie viel die Lust kostet, die man gerade genießt.
    „Welche Fantasie
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