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Reisetagebuecher

Reisetagebuecher

Titel: Reisetagebuecher
Autoren: Franz Kafka
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Hof des Palais Royal. Früher in einem Hotel beim Observatoire. Eines Nachts war im Nebenzimmer ein Liebespaar. Das Mädchen schrie vor Glück in unverschämter Weise. Erst bis er sich durch die Wand anbot, einen Arzt zu holen, wurde sie still und er konnte schlafen. - Meine beiden Freunde stören mich, ihr Weg geht an meiner Hütte vorüber und da bleiben sie immer ein Weilchen an meiner Tür stehn zu einer kleinen Unterhaltung oder Einladung zu einem Spaziergang.
    Ich bin ihnen aber auch dankbar dafür. - In der "Evangelischen Missionszeitung" Juli 1912 über Missionen in Java: "Soviel sich auch gegen die dilettantische ärztliche Tätigkeit der Missionäre, die sie in größtem Umfange ausüben, mit Recht einwenden läßt, so ist sie doch wiederum das Haupthilfsmittel ihrer Missionstätigkeit und nicht zu entbehren. "

    Hie und da bekomme ich leichte oberflächliche Übelkeiten, wenn ich, meistens allerdings in einiger Entfernung, diese gänzlich Nackten langsam zwischen den Bäumen sich vorbeibewegen sehe. Ihr Laufen macht es nicht besser. - Jetzt ist an meiner Tür ein ganz fremder Nackter stehen geblieben und hat mich langsam und freundlich gefragt, ob ich hier in meinem Hause wohne, woran doch kein Zweifel ist. - Sie kommen auch so unhörbar heran. Plötzlich steht einer da, man weiß nicht, woher er gekommen ist. - Auch alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht.
    - Abend Spaziergang nach Stapelburg. Mit den zweien, die ich einander vorgestellt und empfohlen habe. Ruine. Rückkehr 10 Uhr. Zwischen den Heuhaufen auf der Wiese vor meiner Hütte einige schleichende Nackte, die in der Ferne vergehn. In der Nacht, als ich durch die Wiese nach dem Kloset wandere, schlafen drei im Gras.

    12 (Juli 1912) Erzählungen des Dr. Schiller. Ein Jahr auf Reisen. Dann lange Debatte im Gras über das Christentum. Der alte blauäugige Adolf Just, der alles mit Lehm heilt und mich vor dem Arzt warnt, der mir Obst verboten hat. Die Verteidigung Gottes und der Bibel durch ein Mitglied der
    "Christlichen Gemeinschaft"; liest als Beweis, der gerade gebraucht wird, einen Psalm vor. Mein Dr. Schiller blamiert sich mit seinem Atheismus. Die Fremdwörter Illusion, Autosuggestion, helfen ihm nichts. Ein Unbekannter fragt, warum es den Amerikanern so gut geht, trotzdem sie bei jedem zweiten Wort fluchen. - Bei den meisten ist es nicht möglich, ihre wirkliche Meinung festzustellen, trotzdem sie sich lebhaft beteiligen. Der, welcher so überstürzt vom Blumentag sprach und wie sich 37
    gerade die Methodisten zurückhielten. Der aus der "Christl. Gem. " der mit seinem schönen kleinen Jungen aus einer kleinen Düte Kirschen und trockenes Brot mittagmahlt und sonst den ganzen Tag im Gras liegt, drei Bibeln vor sich aufgeschlagen hat und Notizen macht. Er ist erst seit 3 Jahren auf dem rechten Weg. Die Ölskizzen des Dr. Sch. aus Holland. Pont neuf. - Heu aufgeladen. - An den Eckarplätzen. - Zwei Schwestern. Kleine Mädchen. Eine mit schmalem Gesicht, nachlässiger Haltung, übereinander beweglichen Lippen, zart in eine Spitze verlaufender Nase, nicht ganz offenen, klaren Augen. Aus dem Gesicht leuchtet eine Gescheitheit, daß ich sie schon minutenlang aufgeregt angeschaut habe. Es weht mich etwas an, wenn ich sie anschaue. Ihre weiblichere kleine Schwester fängt meine Blicke ab. - Ein neu angekommenes steifes Fräulein mit bläulichem Schein.
    - Die Blonde mit kurzem zerrauftem Haar. Biegsam und mager wie ein Lederriemen. Rock, Bluse und Hemd, sonst nichts. Der Schritt! - Mit Dr. Sch. (43 Jahre) abend auf der Wiese. Spazierengehn, sich strecken, reiben, schlagen und kratzen. Ganz nackt. Schamlos. - Der Duft, als ich abend aus dem Schreibzimmer trat.

    13 (Juli 1912) Kirschen gepflückt. Lutz liest mir Kinkel "Die Seele" vor. - Nach dem Essen lese ich immer ein Kapitel aus der Bibel, die hier in jedem Zimmer liegt. Abend, die Kinder beim Spiel. Die kleine Susanne von Puttkammer. 9 Jahre, in rosa Höschen.

    14 (Juli 1912) Kirschen gepflückt auf der Leiter mit Körbchen. Hoch im Baum oben gewesen.
    Vormittag Gottesdienst an den Eckerplätzen. Der ambrosianische Lobgesang. Nachmittag die 2
    Freunde nach Ilsenburg geschickt. - Ich liege im Gras, da geht der aus der "Christl. Gemeinschaft"
    (lang, schöner Körper, braungebrannt, spitzer Bart, glückliches Aussehn) von seinem Studierplatz in die Ankleidehütte, ich folge ihm nichtsahnend mit den Augen, er kommt aber, statt auf seinen Platz zurückzukehren, auf mich
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