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Reisetagebuecher

Reisetagebuecher

Titel: Reisetagebuecher
Autoren: Franz Kafka
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einem Tisch standen dort von einer Hochzeit her zwei vergessene Sträuße in Vasen. Verschluß der Fenster nicht durch Klinken sondern durch Haken oben und unten.
    Jetzt fällt mir ein, daß ich einmal Musik hörte, ein Weilchen lang. In dem Gastzimmer war aber 2
    kein Klavier, vielleicht in jenem Hochzeitszimmer. Immer wenn ich das Fenster schloß, sah ich auf der andern Marktseite ein Delikatessengeschäft. Geheizt wurde mit großen Holzstücken.
    Stubenmädchen mit großem Mund, einmal trotz der Kälte mit freiem Hals und Brustansatz; bald abweisend bald überraschend anhänglich, ich immer gleich respektvoll und verlegen, wie meist vor allen freundlichen Leuten. Als ich mir für das Arbeiten am Nachmittag und Abend eine stärkere Glühlampe hatte einsetzen lassen, war sie ganz froh als sie das beim Einheizen sah "ja, bei dem frühernLicht könne man nicht arbeiten", sagte sie. "Bei diesem Licht auch nicht" sagte ich nach einigen lebhaften Ausrufen, wie sie mir in der Verlegenheit leider immer in den Mund kommen.
    Und ich wußte nichts anderes als meine schon auswendig gelernte Meinung herzusagen, daß das elektrische Licht sowohl zu grell als zu schwach sei. Sie heizte daraufhin schweigend weiter ein.
    Erst als ich sagte "übrigens habe ich nur die frühere Lampe stärker angezündet" lachte sie ein wenig und wir waren einer Meinung.

    Dagegen kann ich solche Dinge: ich hatte sie immer als Fräulein behandelt und sie hatte sich danach eingerichtet; einmal kam ich zu ungewöhnlicher Zeit nachhause und sehe sie in der kalten Diele den Boden waschen. Da machte es mir nicht die geringste Mühe, durch Gruß und eine Bitte rücksichtlich des Einheizens sie vor jeder Beschämung zu bewahren.

    Auf der Rückfahrt von Raspenau nach Friedland neben mir dieser steife totenähnliche Mensch, dem der Bart über den offengehaltenen Mund herabgieng und der, als ich ihn nach einer Station fragte, freundlich zu mir gewendet mir die lebhafteste Auskunft gab.

    Das Schloß in Friedland. Die vielen Möglichkeiten, es zu sehn: aus der Ebene, von einer Brücke aus, aus dem Park, zwischen entlaubten Bäumen, aus dem Wald zwischen großen Tannen durch.
    Das überraschend übereinander gebaute Schloß, das sich wenn man in den Hof tritt lange nicht ordnet da der dunkle Epheu, die grauschwarze Mauer, der weiße Schnee, das schieferfarbene Abhänge berziehende Eis die Mannigfaltigkeit vergrößert. Das Schloß ist eben nicht auf einem breiten Gipfel aufgebaut, sondern der ziemlich spitze Gipfel ist umbaut. Ich gieng unter fortwährendem Rutschen einen Fahrweg hinauf, während der Kastellan, mit dem ich weiter oben zusammentraf, über zwei Treppen leicht hinaufkam. Überall Epheu. Von einem spitz vorspringenden Plätzchen großer Ausblick. Eine Treppe an der Mauer hört in halber Höhe nutzlos auf. Die Ketten der Zugbrücke hängen vernachlässigt an den Haken herab.

    Schöner Park. Weil er terassenförmig am Abhang, aber auch teilweise unten um einen Teich herum mit verschiedenartiger Baumgruppierung liegt kann man sich sein Sommeraussehn gar nicht vorstellen. Im eiskalten Teichwasser sitzen zwei Schwäne (ihren Namen habe ich erst in Prag erfahren), eine steckt Hals und Kopf ins Wasser. Ich folge zwei Mädchen die sich immerfort unruhig und neugierig auf mich unruhigen und neugierigen überdies aber unentschlossenen umsehn, lasse mich von ihnen den Berg entlang über eine Brücke eine Wiese, unter einem Eisenbahndamm durch in eine überraschende vom Waldabhang und Eisenbahndamm gebildete Rotunde weiter hoch hinauf in einen scheinbar nicht so bald endenden Wald führen. Die Mädchen gehn zuerst langsam, als ich mich über die Größe des Waldes zu wundern anfange gehn sie rascher, da sind wir auch schon auf einer Hochebene mit starkem Wind paar Schritte vom Ort.

    Kaiserpanorama. Einzige Vergnügung in Friedland. Habe keine rechte Bequemlichkeit darin, weil ich mich einer solchen schönen Einrichtung wie ich sie dort antraf, nicht versehen hatte, mit schneebehängten Stiefeln eingetreten war und nun vor den Gläsern sitzend nur mit den Fußspitzen den Teppich berührte. Ich hatte die Einrichtung der Panoramas vergessen und fürchtete einen Augenblick lang von einem Sessel zum andern gehn zu müssen. Ein alter Mann bei einem beleuchteten Tischchen, der einen Band illustrierte Welt liest, führt das ganze. Läßt nach einer 3
    Weile für mich ein Ariston spielen. Später kommen noch 2 alte Damen, setzen sich rechts von mir, dann noch eine
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