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Reise um den Mond

Reise um den Mond

Titel: Reise um den Mond
Autoren: Jules Verne
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hinabgestoßen, oder durch überwältigende Anziehungskraft desselben unwiderstehlich mit fortgerissen würde.
    Der Präsident Barbicane begriff augenblicklich die Folgen dieser drei Fälle, welche auf die eine oder andere Art das Unternehmen zum Scheitern bringen würden. Seine Gefährten blickten stumm in den Raum hinaus. Der Gegenstand nahm, sowie er näher kam, erstaunlich an Größe zu, und durch eine optische Täuschung schien das Projectil ihm geradezu entgegen zu fahren.
    »Herr Gott!« rief Michel Ardan, »es wird gleich ein Zusammenstoß eintreten.«
    Instinctmäßig traten die Reisenden zurück. Ihr Schrecken war ungeheuer, dauerte jedoch nicht lange, kaum einige Secunden. Der Asteroide fuhr einige hundert Meter neben dem Projectil vorbei und verschwand, nicht durch seine Schnelligkeit, sondern weil seine dem Mond zugekehrte Seite sich plötzlich in der absoluten Dunkelheit des Raums verlor.
    »Glück zur Fahrt!« rief Michel Ardan, indem er wieder frei aufathmete. »Wie? Ist der unendliche Raum nicht groß genug, daß eine armselige kleine Kugel nicht ohne Besorgniß sich darin ergehen könnte! Aber was hat’s mit der anmaßenden Kugel, die uns beinahe gestoßen hätte, für eine Bewandtniß?«
     

    Der muthige Franzose. (S. 16.)
     
    – Ich weiß es, erwiderte Barbicane.
    – Potz tausend! Du weißt ja Alles.
    – Es ist, sagte Barbicane, ein bloßer Bolide, aber von enormer Größe, den die Anziehungskraft der Erde wie einen Trabanten gefesselt hat.
    – Ist’s möglich?! rief Michel Ardan. Also hat die Erde zwei Monde, wie Neptun?
     

    Sie richteten Barbicane auf. (S. 18.)
     
    – Ja, Freund, zwei Monde, obschon man im Allgemeinen glaubt, sie habe nur einen. Aber dieser zweite Mond ist so klein, und seine Schnelligkeit so groß, daß die Erdbewohner ihn nicht gewahren können. Ein französischer Astronom, Petit, hat durch Beachtung gewisser Bahnstörungen die Existenz dieses zweiten Trabanten zu bestimmen und seine Elemente zu berechnen gewußt. Nach seinen Beobachtungen würde dieser Bolide seinen Umlauf um die Erde in nur drei Stunden und zwanzig Minuten vollenden, was eine erstaunliche Geschwindigkeit voraussetzt.
    – Geben alle Astronomen, fragte Nicholl, die Existenz dieses Trabanten zu?
    – Nein, erwiderte Barbicane; aber wenn sie, wie wir, ihm begegnet wären, könnten sie nicht mehr zweifeln. In der That, denk’ ich, macht dieser Bolide, der uns durch ein Anstoßen sehr in Verlegenheit gebracht hätte, es möglich, genau anzugeben, wo wir uns befinden.
    – Wie so? fragte Ardan.
    – Weil seine Entfernung bekannt ist, so befanden wir uns im Moment des Begegnens gerade achttausendeinhundertundvierzig Kilometer von der Erdoberfläche entfernt.
    – Ueber zweitausend Lieues! rief Michel Ardan. Das überbietet ja die Expreßfahrten dieses armseligen Erdballs!
    – Ich glaub’s wohl, erwiderte Nicholl, und sah auf seinen Chronometer, es ist elf Uhr, und wir haben erst seit dreizehn Minuten Amerika verlassen.
    – Erst dreizehn Minuten? sagte Barbicane.
    – Ja, erwiderte Nicholl, und wenn unsere anfängliche Geschwindigkeit von elf Kilometer fort bestände, so würden wir in der Stunde etwa zehntausend Lieues zurücklegen!
    – Das ist Alles wohl recht, meine Freunde, sagte der Präsident, aber immer noch ist die Frage zu lösen: Weshalb haben wir den Knall der Columbiade nicht gehört?
    Keine Antwort. Die Unterhaltung stockte, und Barbicane, fortwährend nachdenkend, machte sich daran, den Deckel der anderen Seitenlucke herabzulassen. Seine Bemühung gelang, und durch das frei gemachte Fenster fiel das glänzendste Mondlicht in’s Innere des Projectils. Nicholl löschte als ein sparsamer Mann das Gaslicht, denn es war unnöthig, und war zudem bei Beobachtung der Planetenwelträume hinderlich. Das Mondlicht glänzte in unvergleichlicher Reinheit. Seine Strahlen, nicht mehr durch die Dunstatmosphäre der Erde gedämpft, drangen hell durch das Fenster, und erfüllten das Innere des Projectils reichlich mit silbernem Widerschein. Sein Glanz, obwohl durch den schwarzen Vorhang des Firmaments gehoben, doch in dem leeren Aetherraum nicht fähig sich zu verbreiten, verdunkelte nicht die benachbarten Sterne. So gewährte der Himmel einen ganz ungewöhnlichen Anblick, wie ihn das menschliche Auge nicht ahnen konnte.
    Das Interesse der kühnen Reisenden an der Betrachtung des Nachtgestirns, dem höchsten Zweck ihrer Reise, ist begreiflich. Der Trabant der Erde kam auf seiner Bahn dem Zenith immer
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