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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
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angeschickert.
    Ich setzte ein dünnes, entschuldigendes Lächeln auf und erklärte, daß ich aus der englischsprachigen Welt käme.
    » D’ye nae hae in May? « fuhr der Mann fort. » If ye dinna dock ma donny. «
    » Doon in Troon they croon in June « , sagte sein Kumpel. » Wi’ a spoon « , fügte er erläuternd hinzu.
    »Ach so, aha.« Wieder nickte ich tiefsinnig, schob die Unterlippe ein wenig vor, als sei mir doch jetzt beinahe alles klar. Und genau da erschien zu meiner Erleichterung der Barmann mit unglücklicher Miene und wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab.
    » Fuckin muckle fucket in the fuckin muckle « , sagte er zu den beiden Männern und dann mit müder Stimme zu mir: » Ah hae the woo.« Ich wußte nicht, ob es eine Frage oder eine Aussage war.
    »Ein Glas Tennant’s, bitte«, sagte ich hoffnungsvoll.
    Er stieß ein ungeduldiges Geräusch aus, als sei ich seiner Frage ausgewichen. » Hae y a nae hook ma dooky? «
    »Verzeihung?«
    » Ah hae the noo « , sagte der erste Gast, der sich offenbar als Dolmetscher betrachtete.
    Eine Weile stand ich mit offenem Mund da, versuchte mir zusammenzureimen, was sie gesagt hatten, überlegte, welcher Teufel mich geritten hatte, in einem solchen Stadtteil ein Pub zu betreten, und sagte mit dann leiser Stimme: »Ach, nur ein Glas Tennant’s.«
    Der Barmann seufzte schwer und holte mir ein Pint. Nach dem ersten Schluck begriff ich, was sie mir die ganze Zeit mitzuteilen versucht hatten. Ich solle um Gottes willen in diesem Pub kein Lager bestellen, denn ich würde nur ein Glas warme, aus einem störrischen Hahn gezapfte Seifenlauge bekommen, und ich solle mein Leben in Sicherheit bringen, solange ich noch könne. Ich trank zwei Schluck von dem ominösen Gebräu, tat dann so, als müßte ich mal, und entkam durch die Seitentür.
    Und so kehrte ich auf die dämmrigen Straßen am Süd-ufer des Clyde zurück und versuchte, den Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Es ist beinahe unmöglich, sich vorzustellen, wie die Gorbals waren, bevor man begann, sie aufzumotzen, und wagemutige Yuppies ermunterte, in schicke neue Mietshäuser an ihren Rändern zu ziehen. Nach dem Krieg tat die Stadt etwas höchst Ungewöhnli-ches. Sie baute riesige, schicke Hochhaussiedlungen im Grünen, verschob Zehntausende aus heruntergekommenen Vierteln wie den Gorbals dorthin und vergaß, für die nötige Infrastruktur zu sorgen. Allein nach Easterhouse wurden vierzigtausend Leute verfrachtet, und als sie da waren, merkten sie, daß sie zwar tolle, neue Apartments mit Innenklo hatten, aber keine Kinos, keine Läden, keine Banken, keine Pubs, keine Schulen, keine Jobs, keine Arztpraxen. Jedesmal, wenn sie einen Drink, zur Arbeit oder zum Arzt wollten, mußten sie in einen Bus klettern und meilenweit zurück in die Stadt fahren. Da verwandelten sie die Häuser vor Wut in neue Slums. Mit dem Ergebnis, daß Glasgow wahrhaft schlimme Wohnungsprobleme hat. Die Stadt ist zwar der größte Immobilienbesitzer Europas. Ihre 160000 Häuser und Wohnungen machen die Hälfte des gesamten Wohnraums der Stadt aus. Doch nach eigenen Schätzungen müßte sie ungefähr 3 Milliarden Pfund ausgeben, um alles so zu sanieren, daß es den heutigen Anforderungen genügt. Wohlgemerkt, darin sind nicht die Mittel für neue Wohnungen enthalten, sondern lediglich die, um die bestehenden bewohnbar zu machen. Im Moment beträgt das Budget dafür aber nur rund 100 Millionen Pfund im Jahr.
    Nach geraumer Zeit fand ich einen Weg über den Fluß und ins schöne, neue Zentrum zurück. Ich schaute mir George Square an – meiner Ansicht nach der schönste Platz in ganz Großbritannien – und trottete dann bergan zur Sauchiehall Street, wo mir mein Glasgower Lieblings- und zugleich einziger Witz wieder einfiel. Er ist nicht so dolle, aber er gefällt mir. Ein Polizist schnappt an der Ecke Sauchiehall/Dalhousie einen Dieb und zerrt ihn an den Haaren mehrere hundert Meter weiter zur Rose Street, um ihn dort zu verhaften.
    »Oi, warum machen Sie das?« fragt der Übeltäter. Er fühlt sich ungerecht behandelt und reibt sich den Kopf.
    »Weil ich ›Rose Street‹ schreiben kann, du Scheißdieb«, sagt der Polizist.
    Und das ist typisch für Glasgow. Nun hat es all diesen neuen Wohlstand und Schick, aber man hat das Gefühl, gleich darunter ist es immer noch roh und gewalttätig, was ich seltsam aufregend finde. Wenn man freitags abends durch die Straßen streift wie ich nun, weiß man nie, ob man an der
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