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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
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verpackt in Lagerhäusern. Nach beinahe vier Dekaden, in denen die Stadt nicht zu Potte kam, nahm sie sich Ende der Siebziger dann doch endlich einen begabten Architekten namens Barry Gasson. Der entwarf ein schmuckes, schlichtes Gebäude an einem Wald, das berühmt für seine luftigen Räume und die raffinierte Art werden sollte, wie architek-tonische Elemente aus der Burrellschen Sammlung – mittelalterliche Pforten und Türstürze und dergleichen – in die Anlage integriert wurden. Unter allgemeinem Beifall wurde es 1983 eröffnet.
    Burrell war nicht besonders reich, aber meine Güte, er hatte Geschmack. Die Galerie enthält nur 8000 Ausstellungsstücke, aber sie kommen von überall her – aus Mesopotamien, Ägypten, Griechenland, Rom –, und mit Ausnahme einiger glasierter Porzellanfigurinen von Blumenmädchen, die er einmal im Fieberwahn aufgegabelt haben muß, sind sie durch die Bank umwerfend. Den ganzen Nachmittag lang wandelte ich glücklich durch die vielen Räume und tat so (das mache ich manchmal), als dürfe ich eins der Objekte mit nach Hause nehmen, ganz egal, welches – als Geschenk des schottischen Volkes in Würdigung meiner überragenden menschlichen Qualitäten. Nach vielem Ringen entschied ich mich schließlich für einen Kopf der Persephone aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. aus Sizilien, der nicht nur überwältigend makellos war, als sei er erst gestern erschaffen worden, sondern sich auch perfekt auf dem Fernseher gemacht hätte. Am frühen Abend verließ ich hochzufrieden die Burrell Collection und erquickte mich noch ein wenig im Pollok Park.
    Es war ein milder Tag, und ich beschloß, in die Stadt zurückzulaufen, obwohl ich keinen Plan und auch nur eine äußerst vage Vorstellung hatte, wo das entfernte Zentrum lag. Ich weiß nicht, ob Glasgow wirklich eine wundervolle Stadt ist oder ich dort nur immer zufällig auf ein paar unvergeßlich schöne Sehenswürdigkeiten gestoßen bin – den zauberhaften Kelvingrove Park, den Botanischen Garten, die sagenhafte Nekropolis, den Friedhof mit reihenweise reich verzierten Grabmälern. Diesmal war es auch so. Ich wanderte hoffnungsfroh eine breite Allee namens St. Andrews Drive entlang und streifte ziellos durch ein hübsches Viertel mit reichen, gutsituierten Häusern und einem anmutigen Park mit einem kleinen Teich. Schließlich kam ich an der Scotland Street Public School vorbei, einem wunderbaren Gebäude mit eleganten Treppenaufgängen, das wahrscheinlich von Macintosh war, und kam bald darauf in einen eher schäbigen, aber nicht weniger interessanten Bezirk, den ich als die Gorbals identifizierte. Und dann verirrte ich mich.
    Von Zeit zu Zeit konnte ich den Clyde sehen, aber nicht herausfinden, wie ich dorthin oder – viel wichtiger! – darüber kam. Ich lief durch viele kleine Straßen und befand mich bald in einer dieser toten Gegenden mit fensterlosen Lagerhäusern und Garagentüren, auf denen steht: PARKEN VERBOTEN – GARAGE WIRD TAG UND NACHT BENUTZT. Ich schlug ein paar Haken, die mich immer weiter aus der menschlichen Gesellschaft hinausführten, und stolperte schließlich in eine kurze Straße mit einem Eck-Pub. Weil ich mich ein bißchen hinsetzen und was trinken wollte, ging ich hinein. Es war eine dunkle, abgehalfterte Kneipe, in der nur zwei nicht sehr vertrauenerweckende Männer nebeneinander am Tresen saßen und schweigend tranken. Sonst war niemand da. Ich bezog am anderen Ende des Tresens Posten und wartete ein wenig, aber niemand kam. Ich trommelte mit den Fingern auf den Tresen, blies die Wangen auf und verzog die Lippen zu den unmöglichsten Formen, wie man das eben so macht, wenn man wartet. (Und warum eigentlich, was meinen Sie? Es ist ja nicht mal halb so unterhaltsam für einen selbst wie zum Beispiel das wirklich sehr primitive Blasenaufpulen oder mit dem Daumennagel die anderen Fingernägel säubern.) Ich amüsierte mich mit letzterem und blies die Wangen noch ein bißchen mehr auf, aber immer noch kam niemand. Schließlich merkte ich, wie der eine Gast mich beäugte.
    » Hae ya nae hook ma dooky? « fragte er.
    »Verzeihung?« erwiderte ich.
    » He’ll nay be doon a mooning. « Er riß den Kopf in Richtung eines Hinterzimmers.
    »Ach so, aha«, sagte ich und nickte weise, als erkläre das alles.
    Sie schauten mich aber weiter unverwandt an.
    » D’ye hae a hoo and a poo? « sagte der erste Mann zu mir.
    »Verzeihung?« sagte ich.
    » D’ye hae a hoo and a poo? « wiederholte er. Offenbar war er ein wenig
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