Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
dort drei Damen mittleren Alters arbeiteten. Die Besetzung schien ein bißchen übertrieben, denn ich war ganz offenkundig der einzige Tourist im Umkreis von 400 Meilen. Die Damen waren ausgesprochen munter und fidel und begrüßten mich aufs herzlichste mit diesem wundervollen Highland-Akzent – nüchtern und präzise und dennoch melodisch. Ich faltete ein paar Pullover auseinander, damit sie was zu tun hatten, wenn ich wieder weg war, betrachtete mit offenem Mund ein Demovideo von Tommy Scott, der auf diversen windumtosten Landzungen kecke schottische Weisen zum besten gab (schon gut, ich sag ja nichts), kaufte ein paar Postkarten, hielt mich lange bei einer Tasse Kaffee auf, schwatzte mit den Damen über das Wetter, ging dann auf den stürmischen Parkplatz hinaus und begriff, daß ich alles erlebt hatte, was man in John O’Groats erleben kann.
    Ich wanderte im Hafen herum, schirmte vor den Fenstern des kleinen Museums, das bis zum Frühjahr geschlossen hatte, die Augen mit den Händen ab und lugte hinein, warf einen anerkennenden Blick auf den Pentland Firth, Stroma und den Old Man of Hoy und ging dann zurück zum Auto. Sie wissen das womöglich schon, aber John O’Groats ist nicht der nördlichste Punkt des schottischen Festlandes. Diese Auszeichnung gebührt einem Ort namens Dunnet Head, fünf oder sechs Meilen weiter. Dunnet Head hat der Menschheit sogar noch weniger Zerstreuung zu bieten als John O’Groats, doch es hat einen hübschen unbemannten Leuchtturm, sensationelle Blicke aufs Meer und natürlich eine hübsche Atmosphäre völliger Abgeschiedenheit.
    Ich stand auf einer böigen Anhöhe, betrachtete lange die Welt um mich herum und wartete darauf, daß mich ein tiefsinniger Gedanke beschlich, denn ich war in gewisser Weise am Ziel. Ich wäre schon gern mit der Fähre zu den draußen gelegenen Inseln, den verstreuten Felsnasen bis ins weit entfernte Shetland getuckert, aber ich hatte keine Zeit mehr, und eigentlich war es auch nicht nötig. Trotz seines rauhen, luftigen Charmes würde Shetland doch nur ein weiteres Stück Großbritannien sein. Die gleichen Läden, dasselbe Fernsehprogramm, die gleichen Leute in den gleichen Marks & Spencer-Strickjacken. Das fand ich überhaupt nicht traurig – eher das Gegenteil –, aber ich verspürte auch nicht unbedingt das Bedürfnis, es nun zu sehen. Beim nächsten Mal würde es immer noch dort sein.
    Einen Hafen mußte ich jedoch in meinem Miet-Ford noch anlaufen. Sechs oder sieben Meilen südlich von Thurso befindet sich das Dorf Halkirk, nun vergessen, aber wegen der angeblichen Unfreundlichkeit seiner Bewohner und weil es wirklich am Arsch der Welt liegt, im Zweiten Weltkrieg bei britischen Soldaten ein zutiefst, zutiefst unpopulärer Stützpunkt. Sie sangen ein bezauberndes kleines Lied.
     
    This fucking town’s a fucking cuss
    No fucking trams, no fucking bus,
    Nobody cares for fucking us
    In fucking Halkirk.
     
    No fucking sport, no fucking games,
    No fucking fun. The fucking dames
    Won’t even give their fucking names
    In fucking Halkirk.
     
    Und in diesem liebevollen Geiste geht es noch zehn Strophen weiter. (Um die fällige Frage zu beantworten: Ich hatte vorher nachgeschaut, es war keiner der Standardtitel von Tommy Scott.) Über die einsame 6874 fuhr ich also nach Halkirk. An dem Ort war natürlich nicht viel dran – nur ein paar Straßen auf dem Weg nach nirgendwo, eine Fleischerei, ein Baumaterialiengeschäft, zwei Pubs, ein kleiner Lebensmittelladen und eine Dorfgemeinschaftshalle mit Kriegerdenkmal. Man merkte an keiner Stelle, daß Halkirk je mehr gewesen war als eine öde kleine Unterbrechung der allgemeinen Leere ringsherum, aber auf dem Denkmal standen die Namen von dreiundsechzig Toten aus dem Ersten Weltkrieg (neun hießen Sinclair und fünf Sutherland) und achtzehn aus dem Zweiten.
    Vom Rand des Dorfes konnte man meilenweit über die grasbewachsenen Ebenen sehen, aber nirgendwo Reste von verfallenen Kasernen. Nein, diese Gegend schien nie etwas anderes gewesen zu sein als endlose Pampa. Neugierig betrat ich den Lebensmittelladen. Was für ein seltsames Ding – ein großer, schuppenähnlicher Raum, schlecht beleuchtet und bis auf ein paar Metallregale an der Tür leer. Auch dort lagen nur einige vereinzelte Päckchen mit allem möglichen Klimbim. Ein Mann stand an der Kasse, und ein alter Bursche vor mir tätigte einen kleineren Einkauf. Ich erkundigte mich nach dem Stützpunkt.
    » Oh, aye « , sagte der Besitzer. »Das große
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher