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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
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seit Jahren mache ich mir darüber immer mal wieder Gedanken, und ich würde es echt gern wissen. Muß man darin springen? Wenn man morgens ein solches Teil anzieht, sagt man sich dann: Heute ist mir nicht nur den ganzen Tag warm (keine unwichtige Überlegung in einem Land, in dem man nicht immer wie selbstverständlich mit Zentralheizungen rechnen kann), sondern ich wäre auch entsprechend gekleidet, wenn man von mir verlangte, ein bißchen zu springen.
    Und so ging es immer weiter. Unter einem Meteoriten-hagel von Fragen lief ich durch die Straßen. Warum spricht man vom »Fuß des Berges« und nicht vom »Kopf des Berges«? Warum sagen wir, uns läuft die Nase? (Meine glitscht.) Wer aß die erste Auster, und wie, um alles in der Welt, hat mal jemand herausgefunden, daß Ambra ein exzellentes Fixateur für Parfüms ist?
    Wenn das geschieht, dann bedarf es, das weiß ich aus jahrelanger Erfahrung, eines besonderen Schocks, damit mein Verstand aus der Isolationsfolter befreit wird. Gott sei Dank konnte Thurso mit einem aufwarten. Als ich in einer Seitenstraße gerade zu überlegen begann, warum wir »Hals über Kopf« sagen, stieß ich auf eine außergewöhnliche kleine Lokalität, die Fountain Restaurant hieß und drei komplette, aber auch komplett unterschiedliche Menüs anbot – ein chinesisches, ein indisches und ein »europäisches«. Weil sich in einer Stadt wie Thurso vermutlich keine drei verschiedenen Restaurants rentieren, gab es eines, das drei Küchen offerierte.
    Von diesem Konzept sofort angetan, ging ich hinein und wurde von einer hübschen jungen Dame zu einem Tisch geleitet. Sie gab mir eine Speisekarte, die viele, viele Seiten hatte. Aus dem Titelblatt war ersichtlich, daß alle drei Mahlzeiten von einem einzigen schottischen Koch zubereitet wurden, ich studierte also Seite um Seite in der Hoffnung, »Haferkekse süß-sauer« oder »Haggis Biriyani« zu finden, aber die Gerichte waren ganz traditionell. Ich entschied mich für das chinesische Menü, setzte mich dann gemütlich hin und genoß einen Zustand seliger Fragelosigkeit.
    Dann kam das Essen, und ich muß sagen, es schmeckte wie ein chinesisches Gericht, von einem schottischen Koch gekocht – womit ich nicht sagen will, daß es nicht gut war. Witzigerweise war es nur völlig anders als irgendeine chinesische Speise, die ich je gekostet hatte. Je mehr ich aß, desto besser schmeckte es mir. Wenigstens war es anders, und das war in diesem Stadium der Reise alles, was ich wollte.
    Danach ging es mir viel besser. Weil ich sonst nicht wußte, wohin, schlenderte ich noch einmal in die Nähe des Fischlagerhauses, um die Abendluft zu genießen. Doch als ich in der Dunkelheit stand, der hämmernden Brandung lauschte und zufrieden zu der sternenübersäten Himmelskuppel über mir schaute und plötzlich dachte: Wer war der Meinung, daß Hereford und Worcester flotte Namen für Grafschaften sind, wußte ich, es war Zeit, ins Bett zu gehen.
     
    Am nächsten Morgen wurde ich früh von meinem Wecker geweckt, und erhob mich nur widerwillig. Denn ich hatte meinen Lieblingstraum geträumt. Ich besitze eine große, einsame Insel, nicht unähnlich denen hier oben an der schottischen Küste, und lade sorgfältig ausgewählte Leute ein: den Typen, der die Weihnachtsbaumlichter erfunden hat, die ausgehen, wenn ein Glühbirnchen platzt, den Menschen, der für die Rolltreppenwartung auf dem Flughafen Heathrow zuständig ist, beinahe alle, die je eine Benutzeranleitung für einen PC verfaßt haben, und natürlich John Selwyn Gummer. Ich schicke sie mit einer minimalen Überlebensration los, jage dann mit einer wildkläffenden Hundemeute hinter ihnen her und bringe sie alle gnadenlos zur Strecke. Doch plötzlich fiel mir ein, daß ich einen großen aufregenden Tag vor mir hatte. Ich fuhr nach John O’Groats!
    Seit Jahren hatte ich von John O’Groats gehört, aber nicht den leisesten Schimmer, wie es dort war. Angeblich über alle Maßen exotisch, und ich wollte unbedingt dorthin. Aufgeregt frühstückte ich im Pentland Hotel, wo ich der einzige Mensch im Speisesaal war, und fand mich Punkt neun bei William Dunnet’s, dem ortsansässigen Fordhändler, ein. Ich hatte ein paar Tage zuvor telefonisch dort ein Auto reservieren lassen, weil man John O’Groats zu dieser Jahreszeit nicht anders erreichen kann.
    Der Mann im Ausstellungsraum brauchte einen Moment, um sich an die Vereinbarung zu erinnern. »Ah, Sie sind der Bursche da unten aus dem Süden«, sagte er, als
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