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Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
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gleich wieder abhauen sollen, aber sie berichtet dann noch, dass sie bisher keinem einzigen Millionärs-Sohn nähergekommen sei. Sie habe jedenfalls noch keinen geküsst, im Tourismus falle nicht viel ab vom Geld der vielen Reichen.
    Sie habe auch Boris Becker noch nie hier gesehen. Michael Ballack würde sie erkennen, aber der sei auch noch nicht vorbeigekommen. Die Wittelsbacher, nein, die auch nicht.
    »Wir gehen dann mal und versuchen unser Glück«, sage ich, und dann sind wir wieder draußen.
    Sie guckt uns durch die Scheibe hinterher, wie unsere Freunde in Berlin geguckt haben, als wir gesagt haben, dass wir jetzt reich werden wollen.
    Ein bisschen so, als versuchten wir zu einer Gruppe des Bösen aufzusteigen. Wie Darth Vader in »Star Wars« – heute noch gut und morgen böse. Als hätten wir heute noch Skrupel und morgen keine mehr.
    Aber wir wollen da mal nicht zu viel hineininterpretieren in den Blick unserer Freunde. Die meisten von ihnen kennen nicht einmal einen Château Latour und halten den für einen Kriegsreporter.
    Als ich ein kleiner Junge war, habe ich gedacht, dass es nicht schlimm ist, dass wir nicht reich sind. Meine Mama war die beste, sie hat gearbeitet für ihre zwei Söhne, sie arbeitete für zwei, weil mein Vater ja schon tot war. Wir tranken den Apfelsaft mit Wasser verdünnt, nicht wegen der Kalorien, sondern wegen des Geldes.
    Jetzt frage ich mich, wie süchtig Champagner macht, aber ich will ihn nicht verdünnen.
    Anne sagt, dass sie als Kind weniger gespart hat als ihre Schwester, die immer in ihrem Zimmer saß und ihr Geld zählte wie eine Königin, die auf einem Sparschwein reitet. Anne hat sich Süßigkeiten gekauft, eine Stereoanlage.
    Geld war süß, Geld hatte einen Klang. Geld mögen fand Anne blöd.
    Bis heute.
    Jetzt steht sie in Starnberg vorm Bahnhof und findet, dass sie eine ganz und gar gute Reiche abgeben wird. Optisch zumindest. Es ist hell am Starnberger See, die Sonne hat einen merkwürdigen Glanz, sie macht aus blonden Haaren goldene.
    »Guck mal, die Reichen tragen kamelhaarfarbene Sack-Cardigans«, sagt sie und spottet, das könne sie sich für sich gerade gar nicht vorstellen.
    »Musst du dann auch anziehen, hilft nichts«, sage ich.
    »Ihh!«
    Wir sind auch bald reich, wir werden uns bald anders anziehen, denke ich. Genau genommen werden wir uns schon vorher anders anziehen, damit wir unter den Reichen nicht mehr auffallen. Nicht auf den ersten Blick.
    Wir werden auch anders sprechen, damit sie uns nicht raushören. Wir werden ein bisschen gesetzter wirken, als wir sind, weniger zappeln und die Hände aus den Haaren lassen, weil sie dann sitzen wie Beton und nicht mehr glatt gestrichen werden müssen.
    Wir werden alles anders machen, bis wir anders sind. Reich.
    Wir nehmen uns den Wagen und fahren ein bisschen raus, am Immobilien-Büro vorbei, das mit tollen Grundstücken in Seelage wirbt, auf die die Reichen hier abfahren, mit Refugien, Schlössern oder Landhausvillen. Für alle gibt es eine Warteliste.
    Was für tolle Ortsnamen sie hier haben, Traubing, Tutzing, Ambach. Wie gemütlich die klingen, so anders als Belzig oder Prochnow.
    Die Reichen hier haben eine ganz spezielle Fähigkeit, denke ich. Sie halten dich mit ihren Blicken auf Distanz.
    »Anne, wir sind auch bald reich, dann können wir auch so gucken«, sage ich.
    »Willst du das?«
    »Ja, ich finde es irgendwie cool. So überlegen!«
    »Man sieht das nicht so«, sagt Anne. »Aber die sind hier alle reicher, als du denkst. Die sind alle ganz reich, die zeigen es nur nicht!«
    Vor einem Eiscafé mit großen Torten und gedecktem Apfelkuchen staunen wir über ihre Hunde, die gebürstet sind, und ein paar Prinzessinnen und Fürsten oder solche, die sich dafür halten. Keine einzige Frisur, die billiger aussieht als 100 Euro.
    Ihre Blicke sind entschieden, entschieden an uns vorbei, das wird sich ändern, denke ich.
    Wir gucken ganz genau, was sie so besonders macht, diese Reichen, die ersten, denen wir auf unserer Reise begegnen und die auf uns ein bisschen so wirken wie die ersten Reichen auf Erden, weil wir sie noch nie so angeschaut haben.
    »Laisser-faire, aber nicht zu viel. Flache Schuhe, Seidenschal«, notiere ich in meinem Notizblock. Und: »Als Herr die Haare gerne einen Tick länger, zurückgekämmt.«
    Ich bewundere sie jetzt wirklich dafür, dass sie so wirken, als komme nicht jeder an sie ran, dass sie so eine Autorität ausstrahlen, sich selbst aussuchen können, wer nahe sein darf und
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