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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten
Autoren: Shannon Drake
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Louisa und ihr Begleiter – wie auch immer sein wahrer Name lauten mochte – bestimmt schon wussten, dass sie hier war.
    Behutsam schlich sie weiter, den Blick nach vorn gerichtet. Plötzlich überlief es sie eiskalt. Sie blieb stehen und drehte sich um. Anfangs sah sie nichts.
    Sie fröstelte noch immer, eiskalte Furcht legte sich auf sie, sie konnte sich kaum mehr rühren. Langsam hob sie den Blick.
    Über ihr an der Decke hing ein Mann! Er hatte lockiges dunkles Haar und wirkte noch recht jung. Mit einem dümmlichen Grinsen meinte er: »Hallo, du da!«
    Während sie ihn fassungslos anstarrte und mit tauben Fingern nach ihrem Pfahl tastete, fiel er von der hohen Decke auf sie wie eine Spinne, die sich auf ihre Beute stürzt. Tatsächlich schaffte sie es, die Pfahlspitze noch rechtzeitig nach oben zu richten. Unter der Wucht des Aufpralls gingen sie beide zu Boden. Sein Gesicht war nur eine Handbreit von ihrem entfernt, als er plötzlich zu fauchen und zu schnappen begann. Sie mühte sich, den Pfahl tiefer in ihn zu treiben und sich gleichzeitig unter ihm vorzuwälzen. Speichel troff von seinen Reißzähnen, die sich beinahe in ihren Hals gegraben hätten. Keuchend, mit hämmerndem Herzen und zitternden Armen schaffte sie es schließlich, ihn wegzustoßen. Noch immer am ganzen Leib zitternd, rappelte sie sich mühsam auf. Er lag wie eine Puppe auf dem Boden, deren Batterien nur noch reichten, die Arme und Beine mechanisch auf und ab zu bewegen. Gegen die Tränen kämpfend, zog sie das Schwert unter ihrem Mantel hervor und holte zu einem wuchtigen Schlag aus. Es war gar nicht so leicht, jemandem den Kopf abzuschlagen. Wieder musste sie mehrmals ansetzen, bis es ihr endlich gelang. Und diesmal schrumpfte der Körper tatsächlich vor ihren Augen, er welkte, wurde grau … bis schließlich nur noch Staub und Knochen übrig blieben.
    Sie brach an einer Wand zusammen und kämpfte gegen die aufsteigende Hysterie an und die Tränen, die ihr in den Augen brannten.
    Wieder vernahm sie das Flüstern, es rauschte, als würden tausend Stimmen ihr etwas ins Ohr zischen. Sie zwang sich dazu aufzustehen, sich umzusehen und ihren Pfahl zu holen, der inmitten der Knochen und dem Staub auf dem Boden lag.
    Noch immer fühlte sie sich wie durch ein unsichtbares Band gezogen, gezwungen, den Gang zu durchqueren.
    Links und rechts lagen Türen, aber sie blieb vor keiner stehen. Sie musste zu der Tür am Ende des Gangs, unter der ein seltsames Licht nach außen drang, das ein Reich tanzender Schatten schuf. Entschlossen ging sie weiter.
    Sie gelangte an die Tür. Wieder verkrampften sich ihre Finger und erstarrten, als sie sich um den Türknauf schlossen. Sie zwang sich, den Knauf zu drehen.
    Das Licht entstammte einem riesigen Feuer, das im Kamin brannte. Und daneben stand eine Frau.
    Die Frau, die zum Château gekommen war.
    Sie trug ein elegantes schwarzes, eng anliegendes Kleid mit langen, spitz zulaufenden, fast durchsichtigen Ärmeln. Ihr Gesicht war klassisch schön, umrahmt von dichtem schwarzem Haar. Ihre Haut war blass, die Lippen sehr rot. Sie schien sich über Taras Ankunft zu freuen, die Lippen kräuselten sich zu einem langsamen, geheimnisvollen Lächeln.
    »Willkommen, ma chère!«, sagte sie leise. »Willkommen! Wie du siehst, bist du hier herzlich willkommen, auch wenn du mich von deiner Schwelle fortgejagt hast. Nun denn, die Allianz ist nicht für ihren Takt bekannt. Aber das spielt keine Rolle. Jetzt bist du da. Und solch ein kluges Mädchen! Blitzgescheit! Du wusstest, dass du den Gang durchqueren musstest, um zu mir zu kommen. Hinter jeder Tür hätte nur ein Hindernis gelauert. Natürlich habe ich dich gerufen, aber nur, weil du mir so willkommen bist. Ist sie uns nicht willkommen, mes amis?«
    Tara zuckte zusammen. Sie hatte sich so auf die Frau am Kamin konzentriert, dass sie sich noch gar nicht umgesehen hatte.
    Leute … Geschöpfe … standen überall verteilt. An einer Wand lehnte ein junges Paar, blass und blutleer. Ein bärtiger Bursche in viktorianischer Kleidung saß in einem Lehnstuhl links neben dem Kamin. Auf einem Bett saß eine Frau, die eine weitere Frau auf dem Schoß hatte. Ein Mann fuhr lüstern durch das blonde Haar eines noch sehr jungen Mädchens.
    »Kinder, meine lieben Kinder, seht nur, wer gekommen ist! Das neueste Mitglied der Allianz!« Louisa trat vom Kamin weg und schlenderte lässig auf Tara zu. Die Hände in die Hüften gestemmt, nahm sie Tara gründlich in Augenschein. »Sie sieht
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