Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
Gelegenheiten. Als wir vor der Kasse standen, war meine Kinnlade wie gelähmt.
    Auf dem Parkplatz bat sie mich, netter zu Di mitri zu sein.
    »Das will ich gern tun, wenn auch du netter zu mir bist«, antwortete ich. »Was hältst du davon?«
    Als wir kurz vor Sonnenuntergang wieder zurückkamen, war Dimitri übel dran und schlechter Laune. Die Haut auf seinem Rücken war rot wie ein Päckchen Winston. Meine Mutter war dabei, ihn einzucremen, und hatte eine Zigarette im Mund winkel stecken.
    »Meinst du nicht, das ist seine Sache?« sagte ich ruhig zu ihr, während sie mir half, die Vorräte in der Küche einzuräumen. »Mußtest du ihm unbe dingt deine Hilfe anbieten?«
    »Hör auf«, erw id erte sie sogleich. »Fang bloß nicht wieder damit an.«
    »Trotzdem, man muß schon ganz schön blöd sein, um sich gleich am ersten Tag so einen Sonnenbrand zu holen, mehr brauche ich dazu wohl nicht zu sa gen.«
    Selbstverständlich schlief er die ganze Nacht nicht. Und ich dementsprechend auch nicht. Ich hörte, wie er auf und ab ging und wie bei jedem Schritt der Parkettboden der Veranda knarrte, hör te, wie er den Kühlschrank öffnete und den Wasser hahn in der Küche aufdrehte. Zum Glück wurden seit einigen Jahren die Mücken in dieser Gegend radikal vernichtet, so daß es mir erspart blieb, ihn in alle Richtungen rennen zu hören, aber das reichte nicht aus, um eine ruhige Nacht zu verbringen. Das nenne ich einen schlechten Ferienanfang.
    Ich schlüpfte in meine Shorts und verließ das Zimmer.
    Er saß auf dem Sofa. Er war damit beschäftigt, etwas in ein Heft zu schreiben. Wir wechselten einen Blick, und dann ging ich in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Statt dessen nahm ich mir ein Bier. Die Nacht war heiß, und die Kühle der Alu miniumdose in meiner Hand entzückte mich ge radezu. Nach kurzem Zögern nahm ich eine zweite Dose und ging ins Wohnzimmer zurück.
    Ich stellte die Bierdose vor ihn hin. Die Nacht war drückend heiß, der Himmel voller Sterne. Am Ufer plätscherten kleine Wellen.
    Ich fragte ihn, ob er inspiriert sei und gerade ei nen Song komponiere. Um ein Haar hätte er mir ins Gesicht gelacht.
    »Entschuldige«, sagte er etwas versöhnlicher.
    »Nenn es, wie du willst. Nimm es nicht ernst, was ich sage.«
    Lili hatte mir erklärt, in welcher Branche er tä t ig war, aber ich hatte es vergessen.
    »Deine Mutter fehlt uns«, seufzte ich, während ich mich in einen Sessel sinken ließ. »Ich bin sicher, sie wäre gern hier gewesen.«
    Er stimmte widerwillig zu.
    »Vergiß diese Geschichte«, fuhr ich fort. »Das führt zu nichts. Erzähl mir lieber von deinen Plä nen und wie ihr euch die Zukunft vorstellt.«
    Er betrachtete mich mit leicht verzogenem Mund, was man auch auf seinen Sonnenbrand zurückfüh ren konnte, dann stand er auf und erklärte mir, ich hätte ihn mitten bei der Arbeit unterbrochen und er würde sich ihr gern bald wieder zuwenden, um nicht den Faden zu verlieren. Ich sagte ihm, das kön ne ich gut verstehen. Er ging auf die Veranda. Noch ganz erstaunt, daß er mich so leicht losgeworden war.
    In wenigen Tagen waren meine Mutter und meine Tochter von Kopf bis Fuß gebräunt. Es war gera dezu ein Vergnügen, sie anzusehen, für sie zu ko chen und lockere, entspannte Gespräche mit ihnen zu führen. Wenn wir auf eine Party gingen, wurden wir sogleich umringt und die beiden für den Rest des Abends mit Beschlag belegt, man brachte uns sogar bis hinten in den Garten etwas zu trin ken.
    Oft hakte sich meine Mutter bei mir ein, und alte Bekannte – oft die gleichen, die wir in der Stadt trafen – taten wieder einmal ganz erstaunt, daß ich noch nicht unter der Haube war, und beglück wünschten mich vor allem dazu, daß ich eine so hübsche Tochter und eine Mutter hatte, die man nur verehren konnte.
    »Weißt du, was mir durch den Kopf geht?« erklärte ich ihr eines Abends, als wir beide im Mondschein heimkehrten. Wir hatten ein paar Cocktails getrunken, und sie hatte die Schuhe ausgezogen und ging durchs Wasser, während ich am Ufer entlanglief. Ich blieb stehen.
    »Weißt du, was mir durch den Kopf geht? Warum sollten wir nicht wieder zusammenziehen und unter demselben Dach leben wie früher?«
    Sie blickte mich einen Augenblick an, senkte dann die Augen und schüttelte den Kopf.
    »Denk mal einen Moment darüber nach«, fuhr ich fort. »Wir leben beide allein. Das ist doch Platz verschwendung. Du könntest Lilis Zimmer neh men.«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher