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Regeln des Tanzes: Roman (German Edition)

Regeln des Tanzes: Roman (German Edition)

Titel: Regeln des Tanzes: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Stangl
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gewesen bist und vielleicht wieder einmal sein wirst, den du vielleicht aber auch nie mehr sehen wirst, die Sonne scheint durchs Fenster, beleuchtet die Parkettböden, die weißen Lamellenschränke (falls da noch Schränke sind), die Spiegel. Es geht um diese Bewegung von Zimmer zu Zimmer, eine Bewegung, die möglicherweise selbst immer neue Räume hervorbringt, dumpfe vollgeräumte Kabinette und weite, lichtdurchflutete Säle, die sich mit Menschen füllen, mit Bildern, eine Begegnung ist zu erwarten, dann leeren sich die Bilder, so wie du es magst, von allem Inhalt, so wie die Räume sich von Möbeln und Erinnerungen leeren. Du gehst durch einen Korridor, links und rechts liegen große Plastiksäcke, die angefüllt sind mit Schrauben, dann bleibst du an der Schwelle stehen, vor dir ist ein vollkommen leerer Raum.
    Andrea Stanek sitzt in einem Kaffeehaus nahe ihrer Wohnung, es riecht von der nahen Toilette her nach Zitronen oder dem, was sich die Desinfektionsmittelindustrie unter Zitronenduft vorstellt, sie schaut durchs Fenster auf die Gesichter der Passanten auf der Straße. Die Firmenschilder auf der anderen Straßenseite, die hoch oben auf den Gebäuden angebrachten Werbeleuchtschriften, Dreampower, Solaris, xxx-Animations .
    Zusehen, wie dir alle Macht verloren geht, denkt sie; jeder, der draußen vorbeigeht, trägt ein eigenes Leben mit sich, einen kleinen Moment lang sieht sie es, so wie sie einen kleinen Moment lang sichtbar ist, sie hat keine Macht über ihr Bild, sie hat keine Macht über Körper, am wenigsten (du Tänzerin) über ihren Körper, sie hat keine Macht über ihre Träume, jeder Träumer weiß das, es ist das Wichtigste. Niemand hat die Macht über sein Bild, seinen Körper, seine Träume. Sie weiß, immer wenn sie durch die Tür kommt und in einen Raum tritt und jemand erwartungsvoll zu ihr hinschaut, immer wenn sie auf eine Bühne steigt und von der Bühne abgeht, sie hat nichts zu erwarten; sie hat nichts zu erwarten, und der Mensch, der sie erwartungsvoll anschaut, hat von ihr nichts zu erwarten, selbst wenn sie einmal einen Blick erwidert, selbst wenn einmal jemand ihren Blick erwidert, für sie wird jetzt einfach immer alles so weitergehen, eine Zeit lang, ein paar Monate, dreißig oder vierzig Jahre.
    Sie denkt, sie ist vollkommen gescheitert. Das kann bedeuten, dass sie leben wird, ihr zufälliges Leben unter den Menschen, den widerlichen, den süßen Menschen, in ihrer Gesellschaft, die nicht zu halten ist, die Gesellschaft, so wie sie ist, ist niemals zu halten.
    Sie nippt an ihrem Kaffee, draußen geht ein Mann in einer zu dicken, verfärbten Jacke vorbei, sehr langsam und mit einem Kugelschreiber im Ohr stochernd, bleibt kurz stehen und schaut auf die möglicherweise spiegelnde Fensterscheibe, vielleicht auch auf ihr Gesicht hinter der Fensterscheibe, geht weiter, so langsam wie vorher und an der Eingangstür des Kaffeehauses vorbei und aus ihrem Blickfeld hinaus.
    Sie vergisst, woran sie gerade gedacht hat, sie möchte zahlen, aufstehen, gehen, schaut sich nach einem Kellner um, denkt dann, es gibt etwas, an das sie sich immer erinnert, auch wenn sie gerade nicht daran denkt, es gibt das, ihr Mundwinkel zuckt, es gibt den Schmerz, und dann aber auch – (ja gut, jetzt kommt der Kellner an ihren Tisch).
    Inhalt
    I(Stadt, 4. Februar 2000 und später)
    II(Stadt, 19. Februar 2000 und später)
    III(Wald)
    IV(Präsens, Imperfekt)
    V(Stadt, 2.-3. März 2000 und später)
    VI(Zonen)
    VII(leerer Raum)
    © Literaturverlag Droschl Graz – Wien 2013

Umschlag: & CO graphikdesign www.und-co.at Satz: AD
    Druck: Theiss
    ISBN 978-3-85420-935-5 www.droschl.com Literaturverlag Droschl Stenggstraße 33 A-8043 Graz
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