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RECKLESS HEARTS

RECKLESS HEARTS

Titel: RECKLESS HEARTS
Autoren: Eileen Janket
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Angst oder gar Reue war jetzt keine Zeit, sehr wohl spürte sie den ungestümen Adrenalinfluss in ihren Adern wie jemand, der zum ersten Mal von der Spitze eines Berges einen Gleitflug in ein tiefes Tal wagt.
    Und als sie so durch die dunklen, stinkenden Straßen des Soldiner Kiezes lief, spät nachts, wie eine Durchgeknallte ohne Gnade vor sich selbst, war dies der Beweis dafür, dass ihr Leben nicht mehr kontrolliert wurde, dass es zersprungen war wie dünnes Glas, einfach so. Es war ein größeres und mächtigeres Gefühl als Angst, Ohnmacht oder gar Hass es je sein konnten.
    Vielleicht fühlte sich Freiheit so an?
    Die Dezembernacht war kälter als Selin erwartet hatte. Sie richtete den Kragen ihrer Jacke auf und zog den Reißverschluss bis oben hin zu, während sie von der Soldinerstraße nach links in die Koloniestraße in Richtung Osloerstraße einbog.
    Wann war sie zuletzt U-Bahn gefahren?
    Im U-Bahnhof ‚Osloer Straße‘ stieg sie in den letzten Waggon der U8 in Richtung ‚Hermannstraße‘ ein, stieg ‚Hermannplatz‘ in die U6 Richtung ‚Rudow‘ um und schließlich in der Station ‚Rathaus Neukölln‘ - in ihrem alten Kiez - wieder aus.
    Wie lange war es her? Wie lange, Selin, hm?
    Die ganze Fahrt bis Hermannplatz hatte sie zusammengekauert im hintersten Teil des Waggons auf einem Eckplatz der Dreier-Sitzbänke gesessen. Sie hatte jeglichen Blickkontakt mit anderen Personen vermieden, vor allem aus Angst, es könnte sie zufällig irgendjemand erkennen, auch wenn dies mehr als unwahrscheinlich war, nicht nur wegen der späten Uhrzeit. Aber vielleicht fürchtete sie auch, ihre Augen könnten verraten, dass sie sich mit einer brutalen Attacke aus ihrem kleinen Leben heraus katapultiert hatte und nun mit all der Schuld, die sie sich aufgeladen hatte, zu entkommen versuchte.
     
    ***
     
    »Kitt« hieß eigentlich Alex Böller, aber weil Atilla bei dem Namen Alexander unweigerlich an den Seitensprung seiner Ex-Freundin Carla mit dem gelackten Psychologen Dr. Alexander DuMont erinnert wurde, hatte er sich die Freiheit erlaubt, sein neues Gangmitglied »Kitt« zu nennen, frei nach dem `82 er Pontiac Firebird aus der Achtzigerjahre Serie ‚Knight Rider‘.
    Alex hatte diesen unsinnigen Spitznamen - er war schließlich der Fahrer und nicht das Auto - mit wenig Begeisterung angenommen, ließ sich aber Atilla gegenüber nichts anmerken, letztendlich war es ihm auch völlig schnuppe, wie er genannt wurde.
    »Junge!«, hatte Atilla in der Nacht der letzten, ultimativen Bewährungsprobe zu Alex gesagt. »So, wie du fährst, der Teufel möge mich holen, bist du für mich ab jetzt der Kitt! Das geht doch klar, oder?« Und Alex war einfach nur froh, dass alles gut gegangen, ja sogar bestens gelaufen war und er nicht nur seinen Siegeranteil, sondern auch einen Job bei den berühmt-berüchtigten ‚Crime Artists‘ ergattert hatte.
    Alex brauchte Geld, möglichst schnell, und Atilla hatte ihm eine ordentliche Portion Anteil in Aussicht gestellt, hatte von mehreren tausend Euro gesprochen … mehrere tausend Euro!, was ausreichen würde, um diesem ganzen widerlichen Milieu aus Kleinkriminellen und kaputten Irren den Rücken zu kehren und endlich einige Dinge zu regeln, die ihn seit Jahren auf der Stelle treten ließen.
    Atilla Kaan war Anführer der ‚Crime Artists‘. Seit knapp zwei Jahren waren sie immer mal wieder für eine Schlagzeile in den Lokalnachrichten gut, wurden in der Presse als »die Gespenstergang« bezeichnet, weil sie wie Gespenster auftauchten und sich wieder in nichts auflösten, keine Spuren hinterließen und scheinbar nicht zu kriegen waren. Und weil sie auf eine sehr dreiste und ebenso raffinierte Art - kein Sicherheitssystem, dessen komplizierte Technik sie nicht außer Gefecht setzen konnten - nur stinkreiche Villenbesitzer ausraubten, waren die Sympathien vieler Normalbürger durchaus auf ihrer Seite. Dennoch hätte Atilla eine Titulierung, die nicht nach Kindergarten klang, sehr begrüßt, etwas Klangvolleres wie ‚Die Virtuosen‘ ‚ zum Beispiel.
    Er entwarf die »Einsatzpläne«, verteilte Aufgaben und Positionen, gab höflich formulierte Anweisungen - wie es so seine Art war - und nahm bei Bedarf Änderungen vor, von denen er sich etwas versprach, auch wenn es sich um unscheinbare Kleinigkeiten handelte. Aber wie lautete eines seiner Lieblingssprichwörter?: »Der Teufel steckt im Detail!«
    Er und seine Jungs, Niklas und Jimmy, waren keine Kriminellen im eigentlichen Sinne, das
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