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Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Titel: Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
Autoren: Ian Rankin
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zurückgehen, um ihr Buch zu holen. Sammy war eifrig damit beschäftigt, die Füße ihres Vaters im Sand einzubuddeln.
    Er versuchte zu lesen, dachte aber an die Arbeit. So lang sie schon hier waren, schlich er jeden Tag zur Telefonzelle und rief im Revier an. Die Kollegen meinten ständig, er solle sich amüsieren und den ganzen Betrieb vergessen. Er hatte einen Spionagethriller zur Hälfte durch. Er hatte den Faden schon längst verloren. Rhona tat ihr Bestes. Sie wäre gern ins Ausland gefahren, irgendwohin, wo es ein bisschen schick und nicht nur sonnig, sondern auch warm war. Aber die Finanzen waren auf seiner Seite gewesen. Also saßen sie jetzt an der Küste von Fife, wo er sie kennen gelernt hatte. Erhoffte er sich etwas? Die Wiedererweckung irgendeiner alten Erinnerung? Er war schon mit seinen Eltern hierher gekommen, hatte mit Mickey gespielt, hatte neue Freunde gewonnen, sie dann nach den zwei Wochen wieder verloren.
    Er versuchte es wieder mit dem Spionageroman, aber Gedanken an die Arbeit kamen ihm in die Quere. Und dann fiel ein Schatten auf ihn.
    » Wo ist sie?«
    » Was?« Er sah auf seine im Sand verbuddelten Füße, aber Sammy war nicht da. Wie lang war sie schon weg? Er stand auf, suchte mit den Augen die Uferlinie ab. Ein paar unentschlossene Badende, die nicht weiter als bis zum Knie hineinwateten .
    »Herrgott, John, wo ist sie?«
    Er drehte sich um, sah zu den fernen Dünen.
    »Die Dünen...?«
    Sie hatten sie gewarnt. Manche Dünenhänge waren durch Winderosion ausgehöhlt. Es waren regelrechte kleine Höhlen entstanden, die auf Kinder eine magnetische Anziehungskraft ausübten. Nur neigten sie auch dazu einzustürzen. Erst wenige Wochen zuvor hatten verzweifelte Eltern ihren zehnjährigen Jungen aus dem Sand ausgegraben. Er hatte noch geatmet...
    Sie liefen jetzt. Die Dünen, das Gras, von Sammy nichts zu sehen.
    »Sammy!«
    »Vielleicht ist sie ins Wasser gegangen.«
    »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst auf sie aufpassen!«
    »Tut mir Leid. Ich...«
    »Sammy!«
    Eine kleine Gestalt in einer der Höhlen. Die auf Händen und Knien hoppelte. Rhona griff hinein, zog sie heraus, umarmte sie.
    »Schätzchen, wir hatten dir doch gesagt, dass du das nicht sollst!«
    »Ich war ein Kaninchen.«
    Rebus starrte auf die bröselige Höhlendecke: Sand, lediglich von den Wurzeln der Sträucher und des Strandhafers zusammengehalten. Schlug mit der Faust dagegen. Die Decke stürzte ein. Rhona sah ihn an. Ende der Ferien.
3
    Rebus küsste seine Tochter.
    »Bis dann«, sagte er und sah ihr nach, wie sie das Cafe verließ. Espresso und eine Scheibe Karamell-Shortbread -zu mehr hatte ihre Zeit nicht gereicht -, aber sie hatten sich auf ein andermal zum Abendessen verabredet. Nichts Besonderes, nur eine Pizza.
    Es war der 30. Oktober. Wenn die Natur schlecht drauf war, würde es spätestens Mitte November Winter sein. Rebus hatte in der Schule gelernt, dass es vier verschiedene Jahreszeiten gab, hatte diese Jahreszeiten in leuchtenden und düsteren Farben gemalt, aber seine Heimat schien nichts davon zu wissen. Die Winter waren lang, länger als dem gastfreundlichsten Land lieb sein konnte. Das warme Wetter kam ganz unvermittelt. Kaum dass die ersten Knospen sprossen, liefen die Leute auch schon in T-Shirts herum, so dass Frühling und Sommer zu einer einzigen Jahreszeit verschmolzen. Und sobald die Blätter braun wurden gab es auch schon wieder den ersten Frost.
    Sammy winkte ihm durch das Fenster des Cafes zu und war dann verschwunden. Sie schien zu einem ausgeglichenen, gesunden Menschen herangewachsen zu sein. Er hatte ständig nach Anzeichen von Labilität Ausschau gehalten, nach Spuren von Kindheitstraumata oder genetisch bedingten selbstzerstörerischen Anlagen. Vielleicht sollte er Rhona demnächst mal anrufen und ihr danken - dafür, dass sie Samantha allein großgezogen hatte. Leicht konnte es nicht gewesen sein. Natürlich hätte er gern einen Teil des Erfolgs für sich beansprucht. Aber so verlogen wollte er nicht sein, denn Tatsache war, dass er ihre Entwicklung gar nicht mitbekommen hatte. In seiner Ehe war es nicht anders gewesen: Selbst wenn er sich mit seiner Frau im selben Zimmer befunden hatte, selbst im Kino oder bei einem Abendessen unter Freunden... der wichtigste Teil von ihm war stets abwesend, mit dem einen oder anderen Fall beschäftigt, mit irgendeiner Frage, die ihm keine Ruhe ließ, ehe sie nicht beantwortet war.
    Rebus nahm seinen Mantel. Was blieb ihm anderes übrig, als ins Büro
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