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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen
Autoren: R. J. Anderson
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Es sei denn, die Königin irrt sich. Aber das schien höchst unwahrscheinlich.
    »Und wenn du deiner Königin sagst, du hättest ihren Befehlen nicht gehorcht?«
    Klinge breitete die Flügel aus und stieg auf. »Ich komme schon zurecht«, log sie. Sie näherte sich rasch seinem Gesicht und streifte seine Wange mit den Lippen. »Leb wohl, Paul.«
    Bevor er die Hand nach ihr ausstrecken konnte, war sie schon verschwunden.
     
    Der Weg vom Haus zur Eiche war ihr noch nie so lang vorgekommen. Über ihr kreiste eine Krähe, deren Flügel schwarze Keile aus dem Mond herausschnitten. Von hinter der Buchshecke kam ein Rascheln, gefolgt von einem aufgeregten Fiepen, dann huschte ein Hermelin mit einer zappelnden Maus im Maul durch das Gras. Auch der böige Wind schien sich gegen Klinge verschworen zu haben und drohte, sie bei der geringsten Unaufmerksamkeit himmelwärts zu blasen oder auf den Boden zu drücken. Sie mussteihre ganze Kraft aufbieten, um den Rasen zu überqueren. Als sie endlich in den obersten Ästen der Eiche ankam, waren ihre Sinne geradezu schmerzhaft angespannt.
    Trotzdem bemerkte sie den Schatten nicht, der von oben auf sie herabstieß, sie an den Hüften packte und ihr mit der Hand den Mund zuhielt. Sie hörte aufgeregtes Flügelschlagen. Bevor sie noch einen Laut von sich geben konnte, wurde sie schon rückwärts in die Luft gerissen. Sie stürzte dreißig Krähenlängen tief durch Blätter und Äste und landete atemlos am Fuß der Eiche.
    »Geschafft«, sagte eine Stimme. Sie klang ein wenig erstaunt und zugleich stolz. Wie als nachträglichen Einfall fügte sie hinzu: »Autsch!«
    Klinge fuhr herum. Hinter ihr stand Dorna und rieb sich die schmerzende Schulter. »Was fällt dir ein …«, begann sie empört, doch Dorna ließ sie nicht ausreden.
    »Ich warte hier draußen schon die halbe Nacht darauf, dass du aufhörst, dich mit diesem Menschen zu streiten und zur Eiche zurückkehrst. Bevor du die Königin aufsuchst, musst du dir anhören, was ich zu sagen habe.«
    »Du bist mir zum Haus gefolgt?«, fragte Klinge ungläubig.
    »Ich musste schließlich wissen, ob du den Menschen töten würdest oder nicht.«
    Klinge griff sich mit der Hand an die Stirn. »Moment mal, woher weißt du das alles eigentlich? Wir haben uns nicht mehr gesehen, seit ich Pechnelkes Zimmer verlassen habe.«
    »Gesehen nicht«, sagte Dorna mit grimmiger Zufriedenheit. »Aber ich habe vor dem Fenster der Königin dein Gespräch mit ihr belauscht. Ich habe nicht alles verstanden, aber scheinbar genug.« Missbilligend betrachtete sie Klinges ramponierte Flügel. »Also das hat sie gemeint, als sie davon gesprochen hat, sie würde deine Flügel wiederherstellen. Hast du wirklich deine ganze Zauberkraftbei diesem Menschen aufgebraucht? Wie kann man so dumm sein …«
    »Du kannst mich auch mal, Dorna«, sagte Klinge wütend. Dorna schnaubte. »Aber du wolltest mir etwas sagen. Was?«
    »Pechnelke geht es besser. Wir waren uns zuerst nicht sicher, aber dann setzte sie sich auf und verlangte nach etwas zu essen. Da wussten wir es.«
    Klinge schwieg. Ihr Herz hämmerte, dass sie es am ganzen Körper spürte. Das war der Beweis, dass die Eichenfeen trotz der Ängste der Königin zum Überleben nach wie vor den Kontakt mit der Welt der Menschen brauchten. Auch Jasmins Abspaltung hatte daran nichts ändern können. Heides tragische Geschichte hatte Pechnelke in einer Weise angesprochen und belebt, wie ihr ganzes Wissen von den Traditionen der Feen es nicht vermocht hatte.
    Das hieß aber auch …
    »Ich habe etwas zum Verhandeln«, flüsterte Klinge.
    »Damit du deine Flügel wiederbekommst? Das hoffe ich doch. Glaub mir, ich bin nicht scharf darauf, wieder die Jägerin der Königin zu werden. Aber der Leichtsinn, mit dem du draußen herumschwirrst, ist wirklich eine Schande. Dass der alte Wermut dich nicht gefressen hat, grenzt an ein Wunder.«
    Klinge musste an die tote Krähe denken, die steif und leblos auf der Straße gelegen hatte. Davon hatte sie den anderen in ihrer Aufregung gar nicht berichtet. »Der alte Wermut ist tot. Die Menschen …« Die Worte blieben ihr im Hals stecken, und sie verstummte.
    »Ja?«, fragte Dorna.
    Klinge fasste sie an den Schultern. »Dorna, du musst jetzt sofort etwas für mich tun, während ich mit der Königin spreche. Wahrscheinlich tust du es nicht gern, aber ich schwöre dir, es ist wichtig.«
    »Sag doch einfach, was«, meinte Dorna ungeduldig.
    Klinge gehorchte.
    Dorna wurde kreideweiß im Gesicht,
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