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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen
Autoren: R. J. Anderson
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denn Paul machte mit seinem Stuhl kehrt und rollte von ihr weg. Wie konnte sie ihn dazu bringen, dass er ihr glaubte?
    Ihr Blick fiel auf Heides Tagebuch, das auf dem Nachttischchen am Bett lag, und plötzlich wusste sie es.
     
    Mit einem Wort habe ich Philip den größten Schatz geschenkt, den ich je besitzen werde, und doch erfüllt mich Zufriedenheit. Denn ich weiß, dass mein Geheimnis bei ihm sicher aufgehoben ist und dass es ihn tröstet wie nichts anderes.
    Wohin unsere Wege uns auch führen werden, ein Teil von mir wird jetzt immer bei ihm sein.
     
    Klinge breitete die Flügel aus, drückte sich vom Fenstersims ab und flog auf Pauls Schulter. Sie setzte sich, stellte einen Fuß auf sein Schlüsselbein und legte den Arm um seinen Hals, so weit es ging. »Paul McCormick«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »mein wahrer Name ist Perianth.«

 
    ZWEIUNDZWANZIG
     
    Paul sagte nichts, aber Klinge spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. Sein Kehlkopf bewegte sich, und er schluckte. Sie flog von seiner Schulter auf sein Knie und blickte zu seinem Gesicht hinauf.
    »Glaubst du mir jetzt?«, fragte sie.
    Paul kniff die Augen zu und ballte die Hände auf den Armlehnen des Rollstuhls zu Fäusten. »Ich würde dich am liebsten umarmen«, sagte er. »Aber das geht nicht. Du bist …«
    »Zu klein, ich weiß.« Klinge ballte ebenfalls die Fäuste und widerstand dem Verlangen, sich an ihn zu werfen, sich von ihm in die Hand nehmen und an die Brust drücken zu lassen. »Und das werde ich ab jetzt auch bleiben, weil ich meine wenige Zauberkraft aufgebraucht habe. Deshalb gehe ich jetzt … endgültig.«
    »Warum hast du mir dann deinen Namen verraten? Ich könnte dir befehlen zu bleiben. Ich könnte dich von jedem beliebigen Ort zu mir rufen und du müsstest kommen, egal was deine Königin oder sonst jemand sagt.«
    »Aber du wirst es nicht tun«, sagte Klinge. Sie streckte ihre kleine Hand aus und legte sie auf seine. »Deshalb.«
    Pauls Trotz schmolz dahin, und er sank in sich zusammen. »Es muss doch eine Alternative geben«, sagte er. »Es kann doch nicht … einfach so enden.«
    Klinge sah ihn bekümmert an und brachte keinen Ton heraus.Wie konnte sie ihn trösten, wo sie doch beide wussten, dass es keine Lösung für ihr Problem gab?
    »Du hast dich doch schon einmal in einen Menschen verwandelt«, begann Paul erneut.
    »Nur durch Zufall. Und du hast ja selbst gesehen – der Zauber hält nicht lange an.«
    »Ich weiß.« Er beugte sich plötzlich eindringlich vor. »Aber wenn du dich für immer in einen Menschen verwandeln könntest … würdest du das wollen?«
    In einen Menschen verwandeln – was für ein verlockender und zugleich erschreckender Gedanke. Immer mit Paul zusammen zu sein, danach sehnte sie sich am meisten. Doch müsste sie dafür das einzige Zuhause verlassen, das sie je gehabt hatte, und ein neues Leben in einer Welt anfangen, die sie kaum kannte. Sie wäre verletzlich, abhängig, verunsichert – ein Zustand, der ihr verhasst war.
    Doch am schlimmsten war: Sie würde nie wieder fliegen können.
    Sie rutschte unruhig auf seinem Knie hin und her. »Ja. Nein. Ich weiß nicht … Warum fragst du? Warum über etwas reden, das sowieso unmöglich ist?«
    »Weil es, wenn wir mit deiner Königin richtig verhandeln, vielleicht doch möglich ist.«
    »Du meinst … wir sollten die Königin bitten, mich zu einem Menschen zu machen?«
    Paul nickte.
    Ich verwandelte sie in einen Menschen, hörte sie Amaryllis in Gedanken sagen, und verbannte sie für immer aus der Eiche. Paul hatte recht, dachte Klinge, und ein Schauer durchlief sie. Die Königin hatte schon einmal eine Fee in einen Menschen verwandelt, sie konnte es jederzeit wiederholen.
    Aber warum sollte sie es tun? Nur Klinge hatte einen Vorteil davon, sie konnte Amaryllis im Gegenzug nichts dafür bieten. Zwar hatte sie noch eine Bitte frei, doch die Königin hatte ausdrücklich eingeschränkt, dass durch die Bitte niemand gefährdet werden dürfe. Und wenn die Feen ihre Jägerin verloren, waren sie gefährdet. Das sah auch die Königin bestimmt nicht anders.
    »Tut mir leid«, sagte sie mutlos. »Wenn das Aussicht auf Erfolg hätte, würde ich fragen … aber es geht nicht. Die Königin würde nie zustimmen.«
    »Wir können also nichts tun?«, fragte Paul. »Du kehrst zur Eiche zurück, und ich bleibe hier – und dann sterben wir beide?«
    Klinge wandte sich ab. Sie konnte Pauls verzweifelten Blick nicht ertragen. »Ich sehe keine andere Möglichkeit.«
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