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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Schorlau
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dem Eisenbahn-Waisenhort. Sie besuchten die üblichen Freiburger Schulen, und jeden Morgen strömten sie gemeinsam in dunklen Trauben aus der riesigen Pforte, gingen in die Karlschule, die Weiherhofschule und einige wenige auch ins Kepler-Gymnasium.
    Der Bau bestand aus einem turmartigen weißen Gebäude als Mittelteil, an den sich zwei Flügel mit je vier Stockwerken anschlossen. Links der Mädchentrakt, rechts der Trakt der Jungs. Der Innenhof umschloss auf der Seite der Jungs einen Fußballplatz, auf Seite der Mädchen ein Schwimmbad mit einem Zwanzigmeterbecken.
    Aber auch das war Vergangenheit. Das Studentenwerk hatte das riesige Anwesen gekauft und vermietete jetzt Zimmer an Studenten. Manchmal trug der Wind die Musik und den Lärm ihrer Feste zu Alexanders Geburtshaus hinüber. Aber er war nur noch selten dort. Er hatte es Maximilian gelassen. Es war das Mindeste, was er für ihn hatte tun können.

6. Paul
    Moppel hatte sich mit der Rache Zeit gelassen.
    Eine Woche später wartete er im Treppenhaus auf Paul. »Komm, ich zeig dir was.«
    Er ging in den engen Garderobenraum, in den die Kinder ihre Anoraks und Regenjacken hängten, und winkte. Paul folgte ihm unsicher. Es war düster. Es roch nach durchnässtem Stoff.
    Moppel stand am anderen Ende des Raums und starrte ihn an. »Mach die Tür zu. Die Wackenhut darf das nicht sehen, was ich dir jetzt zeige.«
    Paul drückte die Tür ins Schloss.
    Moppel rannte los.
    Siebzig Kilo Fleisch, Fett und Knochen rammten Paul und pressten ihn gegen die Tür. Die Klinke bohrte sich in seinen Rücken. Paul schrie. Sein Gesicht drückte gegen Moppels Brust oder Hals. Der Gestank des verschwitzten dicken Jungen ätzte in seiner Nase, und er bog instinktiv den Kopf zurück, es ekelte ihn, während er gleichzeitig nach Luft schnappte. Mit beiden Händen stemmte er sich gegen Moppels Schultern, aber der bemerkte es nicht einmal.
    Doch da ließ Moppel unerwartet los. Paul wankte einen Schritt nach vorn. Moppel griff mit einer schnellen Bewegung Pauls linkes Ohr und riss es nach unten. Vor Überraschung und Schmerz schrie Paul hell auf, taumelte zwei Schritte vorwärts, stürzte und fiel. Sofort lag Moppel auf ihm. Mit der linken Hand hielt er ihm den Mund zu. Paul zappelte, versuchte sich zur Seite zu drehen, drückte mit beiden Händen gegen Moppels Schultern, Hände und Arme. Er riss den Kopf hin und her, versuchte Moppel abzuschütteln. Vergeblich. Mit aller Kraft bäumte Paul sich auf, streckte das Kreuz, als er merkte, dass sich Moppels rechte Hand unter seinen Hosenbund schob. Moppel rutschte ein Stück von ihm ab, und für einen Augenblick hoffte Paul verzweifelt, er könne den dicken Jungen abschütteln, doch Moppel verlagerte nur kurz sein Gewicht, und schon lag Paul wieder platt unter ihm.
    Wie eine hungrige Schlange kroch Moppels Hand weiter nach unten, schob sich unter das Gummi der Unterhose und weiter den Bauch abwärts. Paul presste die Beine zusammen.
    Er schrie.
    Moppel lachte und drückte den Handteller fester auf Pauls Mund.
    Mit dem Druck seines linken Knies schob er Pauls Beine auseinander, seine rechte Hand stieß in die Lücke und umfasste Pauls Hoden. Dann drückte er zu.
    Ein nie erlebter, gellender Schmerz explodierte in Pauls Unterleib, sengend und hell. Über ihm: Moppels Augen, die ihn interessiert, fast warmherzig musterten. Paul heulte. Tränen, Rotze und Schweiß flossen über Wangen und Mund. Angst schmeckt salzig.
    Moppel verlagerte das Gewicht, lockerte den Griff. Dann drückte er erneut zu, und eine weitere Welle grellen Schmerzes ließen Paul über eine Sekunde das Bewusstsein verlieren.
    Als es vorbei war, stand Moppel auf. »Wenn du der Wackenhut nur einen Ton sagst, schlag ich dich tot.« Dann ging er.

    Paul verriet nichts. Zweimal stand er vor Fräulein Wackenhuts Tür, aber er klopfte nie an. Er schämte sich. Er wusste nicht, mit welchen Worten er es der Erzieherin berichten sollte. Manchmal versuchte er auf dem Schulweg, die richtigen Worte und Sätze zu finden. Aber er fand weder Worte noch den Mut für das, was er ihr sagen wollte. Nach zwei Tagen war ihm klar, dass er niemandem davon erzählen konnte.

    Das zweite Mal erwischte ihn Moppel eine Woche später im Vorraum der Toilette. Die Toilette der Gruppe Wackenhut bestand aus drei Boxen, einem Urinal, das die Kinder Pissbox nannten, und zwei, die sie Scheißbox nannten. Die erste Tür führte in den Vorraum mit dem Waschbecken. Durch eine zweite Tür gelangte man in den
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