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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Schorlau
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den mittleren Jahren, kam ihm plötzlich in den Sinn.
    Warum denke ich nicht: Ich bin ein Mann in den besten Jahren? In den mittleren Jahren, das klingt nach Kurz-vorm-Altwerden, nach: Von nun an geht's bergab.
    Ich bin ein Mann in den besten Jahren, dachte er, aber dieser Gedanke hob seine Stimmung auch nicht.
    Ich bin ein ehemaliger Polizist. Aber auch das rief kein Echo in ihm hervor.
    Ich war ein erfolgreicher Zielfahnder.
    Lange her.
    Kein Echo.
    Nur Stille.
    Er dachte an seine Zeit als Polizist, aber es war, als erinnere er sich dabei an das Leben eines anderen, eines Fremden, den er gekannt hatte, dessen Geschick ihn aber nun nichts mehr anging.
    Mein früheres Leben ist mir fremd geworden.
    Ich muss meine Mutter anrufen, schoss es ihm durch den Kopf.
    Sie würde ihm Vorwürfe machen, weil er sich seit drei Wochen nicht mehr gemeldet hatte. Noch immer hatte er ihr nicht gesagt, dass er den Job beim BKA gekündigt hatte und nun privater Ermittler war.
    Ich bin ein Mann in den mittleren Jahren, mit Albträumen, der beim Aufwachen an seine Mutter denkt.
    Keine erfreuliche Vorstellung. Dann doch lieber Liegestütze.
    Er warf die Decke zurück, stieg aus dem Bett, legte sich bäuchlings auf den Baumwollläufer und stemmte sich mit beiden Armen in die Höhe.

Leseprobe: Die letzte Flucht - Denglers sechster Fall

Widmung

    Meinen Freiburger Freunden: Murmel, Löpf, Otel, Detsch und allen anderen

Motto

    Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
    Bertolt Brecht, An die Nachgeborenen

    Der Geschäftsmann hat gar oft ein enges Herz,
weil seine Einbildungskraft, in den einförmigen
Kreis seines Berufs eingeschlossen, sich zu fremder
Vorstellungsart nicht erweitern kann.
    Friedrich Schiller, Über die ästhetische
Erziehung des Menschen, Sechster Brief

    Das Einfache kompliziert zu machen, ist alltäglich;
das Komplizierte einfach zu machen, schrecklich einfach –
das ist Kreativität.
    Charles Mingus

1. Glück
    Dengler flog.
    Mit ausgebreiteten Armen schwebte er über eine weite Wiese, unter ihm frisches helles Frühlingsgrün, gesprenkelt mit dem warmen Gelb jungen Löwenzahns. Eine Bewegung der rechten Hand genügte – schon bog er in eine weitgezogene Rechtskurve. Ein Gedanke – und er beschleunigte den Flug, angezogen von der strahlenden Zitronenfarbe des Rapsfeldes am Horizont, dazwischen das silberne Band eines Flusses.
    Er hatte keine Angst, er fürchtete sich selbst dann nicht, als zwei Hochspannungsmasten auftauchten. Nur eine kleine Kopfbewegung, schon stieg er hoch und höher, unter sich sah er Landschaft und Masten und Leitungen. Nichts konnte ihm gefährlich werden. Er fühlte sich frei, der Sonne und dem Glück so nah wie nie.
    Georg Dengler senkte den Kopf, und in einem weiten Bogen flog er auf den Fluss zu, folgte seinem Lauf, beschleunigte über dem glitzernden Wasser das Tempo, raste dicht über der Oberfläche dahin.
    Ob ich wohl träume, fragte er sich im Traum.
    Er erwog diesen Gedanken ernsthaft, verwarf ihn dann aber wieder. Denn der kühle Wassernebel in seinem Gesicht war real, die Sonne wärmte seinen Rücken wirklich. All das war wahr. Spürbar. Nein, das konnte kein Traum sein.
    Wann hatte er sich zuletzt so unbeschwert gefühlt? So leicht, so frei?
    Das Rapsfeld kam näher. Wie ein zitronenfarbenes Meer lag es vor ihm, milder Duft ging von ihm aus, ein betörend schöner Geruch. Endlos segelte er durch diese Symphonie aus Gelb und Sonne und Wärme. Ein leichter Windstoß erfasste ihn, fast hätte er das Gleichgewicht verloren, aber er breitete die Arme aus und hatte sofort wieder die Balance gefunden.Aus dem Augenwinkel nahm er einen winzigen Schattenpunkt wahr, der das Lichtspiel durchbrach und sich näherte. Er spürte die Berührung seiner Schulter. Etwas Kleines hatte sich dort niedergelassen, etwas, was sich an ihm festkrallte. Er bewegte die Schulter. Er wollte es abschütteln.

2. Berlin im Dezember 2010: Entführung
    Dirk Assmuss war ein kleiner, runder Mann, ein erfolgreicher Mann. Am Tag seiner Entführung kämpfte er sich durch das Berliner Schneegestöber. Er hatte den Kragen seines Mantels hochgestellt, mit der behandschuhten rechten Hand drückte er die beiden losen Kragenenden zusammen. Es nutzte wenig. Ein eisiger Wind fegte durchs Brandenburger Tor, und Assmuss, der ein gläubiger Mensch war, fragte sich, warum Gott die Stadt so hasste, dass er sie mit einem solchen Winter
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