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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Schorlau
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hinterher ausgesorgt – zumindest für eine Weile.«
    Ausgesorgt – das klang wie ein Zauberwort in Denglers Ohren. Er wäre froh, wenn er seine Geldsorgen los wäre.
    »Sie wollen, dass ich die Bürgerinitiativen ausspioniere?«, hörte er sich sagen.
    »Ausspionieren? Herr Dengler, das ist kein gutes Wort für den Auftrag, den wir Ihnen geben wollen.«
    Er schüttelte besorgt den Kopf und ging hinter seinen Schreibtisch zurück.
    »Waffengleichheit. Informationsgleichstand. Darum geht's. Wir müssen nur wissen, was diese Brüder planen. Zeitnah müssen wir das wissen. Wir müssen gewappnet sein. Die Polizei einsetzen, einstweilige Verfügungen erwirken. Aber ohne Informationen ... Ich meine, wie soll das gehen?«
    Dengler erhob sich.
    »Ich denke darüber nach. Ich rufe Sie an.«
    Er verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken.
    Lasse ich mich vor den Karren dieser Leute spannen, fragte er sich. Doch als er unten auf der Königstraße stand, kamen ihm Zweifel, ob er sich eben klug verhalten hatte. Vielleicht war er zu schroff gewesen. Ausgesorgt war ein interessantes Wort. Ein sehr interessantes Wort. Es meinte: keine Sorgen mehr haben. Leicht sein. Frei sein. Und so hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.
    Es war spät geworden. Langsam überquerte er den Schlossplatz und ging zurück in sein Büro. Er war müde.
Albtraum
    Ich bin tot, dachte Georg Dengler.
    Wie ein herrenloses Schiff trieb er zwischen Traum und Wirklichkeit, und selbst jetzt, da er darüber nachdachte, ob er noch träume, verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Nein, das, was er durchlebt hatte, war bekannt und real. Eben war er gestorben.
    Also bin ich tot.
    Merkwürdigerweise löste dieser Gedanke keinen Schrecken in ihm aus. Er löste gar nichts aus. Ich bin tot – das war eine leidenschaftslose, eine sachliche Feststellung. Nicht weiter tragisch.
    Er sah sich nach der Fledermaus um, die ihn begleitet hatte. Er fand sie nicht. Aber er erinnerte sich an den Tunnel, durch den er gelaufen war. In völliger Dunkelheit. Er hatte gespürt, wie das Wasser stieg, und da war er umgekehrt. Das Wasser stieg, erst bis zu den Knöcheln, dann zu den Waden, dann zu den Knien. Er war schneller gelaufen. Schließlich gerannt, so gut er es im Wasser konnte. Aber das Wasser stieg weiter. Als es seinen Bauch erreicht hatte, merkte er, dass er nicht vom Fleck kam. Er rannte, aber er bewegte sich nicht. Und das Wasser stieg ihm über die Brust bis zum Kinn. Er schrie, und endlich sah er das Licht am Ende des Tunnels. Da bemerkte er den feinen Maschendraht, der im Tunnel gespannt war. Er würde es nicht schaffen. Das Wasser stieg weiter und schwappte über seinen Mund. Er schluckte. Es kroch in die Nase. Stieg über die Augen. Dann war er völlig unter Wasser. Er riss an dem Maschendraht, aber der gab nicht nach. Nicht einen Millimeter. Er schrie, er strampelte.
    Das Licht wurde tausendfach vom Wasser gebrochen.
    Und nun bin ich tot, dachte er.
    Tot bei lebendigem Leib.
    Mit unendlicher Anstrengung wand er sich aus den Fängen des Albtraumes und schlug die Augen auf.
    Er fühlte keine Freude über die Rettung.
    Georg Dengler lag auf dem Rücken. Die Hände auf der Brust verschränkt. Sein Haaransatz war nass vom Schweiß, als wäre er eben tatsächlich in der schwarzen Röhre ertrunken.
    Natürlich kannte er diesen Traum. Er hatte ihm Kindheit und Jugend zur Hölle gemacht. Aber lange schon hatte er ihn nicht mehr geträumt. So lange, dass er bereits gedacht hatte, er könne ihn für immer vergessen. Sein Blick wanderte die Decke entlang. Dann wandte er langsam den Kopf nach rechts und fixierte den kleinen schwarzen Punkt neben der Nachttischlampe und fragte sich, ob das eine Mücke war. Auf dem kleinen Podest an der Wand stand die Marienstatue aus Kirschholz. Früher hatte ihr Mantel tiefblauen Lack getragen. Es sah aus, als sei die Maria aus Lapislazuli. Doch die Zeit hatte vieles verbleichen lassen. Nicht nur den Mantel der Mutter Gottes.
    Es war bereits halb acht.
    Er hatte keine Lust auf die allmorgendlichen Liegestütze.
    Als er noch beim Bundeskriminalamt war, stand er jeden morgen um sechs auf. Falsch, dachte er, ich sprang aus dem Bett, spätestens um halb sieben.
    Dann Liegestütze. Hundert, wenn es sein musste.
    Aber er war kein Polizist mehr.
    Und er hatte keine Lust auf Liegestütze. Wie lange das alles her war? Gerade mal drei, vier Jahre, und trotzdem kam es ihm vor, als sei das alles in einem anderen Leben gewesen.
    Ich bin ein Mann in
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