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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Autoren: Asa Larsson
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Moment, als sie denkt, dass es niemals aufhören wird.
    Es ist seltsam. Der ganze Sommer war eine lange Liste von Dingen, die erledigt werden mussten. Eins nach dem anderen hat sie abgehakt. Das Weinen stand nicht auf der Liste. Das hat sich von selbst dort eingetragen. Sie wollte es nicht. Sie hatte Angst davor. Angst, darin zu ertrinken.
    Und jetzt ist es gekommen. Zuerst war es unangenehm, es war unerträgliche Qual und Finsternis. Aber dann. Dann wurde das Weinen zu einer Freistätte. Einem Raum, in dem sie sich ausruhen konnte. Einem Wartezimmer vor dem nächsten Posten auf ihrer Liste. Und deshalb wollte ein Teil von ihr plötzlich im Weinen verharren. Das andere, was noch passieren muss, aufschieben. Und dann verlässt das Weinen sie. Sagt: Das wäre erledigt. Und hört einfach auf.
    Sie richtet sich auf. Es gibt ein Waschbecken, sie packt den Rand und zieht sich auf die Beine. Anette ist nicht mehr im Zimmer.
    Ihre Augen sind geschwollen. Kommen ihr vor wie halbe Tennisbälle. Sie drückt ihre eiskalten Fingerspitzen auf die Augenlider. Dreht den Wasserhahn auf und spritzt sich Wasser ins Gesicht. Im Behälter neben dem Waschbecken steckt grobes Papier. Sie wischt sich ab und putzt sich die Nase, vermeidet es, in den Spiegel zu blicken. Das Papier kratzt über ihre Nase.
    Sie schaut auf die Hunde hinunter. Jetzt ist sie so erschöpft und ausgeweint, dass sie das alles nicht mehr so stark empfindet. Die schreckliche Trauer ist nur noch wie eine Erinnerung. Sie hockt sich hin und streichelt alle ein wenig gelassener.
    Dann geht sie hinaus. Anette sitzt vor dem Computer in ihrem Büro. Lisa braucht nur ein »Bis dann« rauszuwürgen.
    Hinaus in die Septembersonne. Die sticht und quält. Scharf gezeichnete Schatten. Einige treibende Wolken verwirren ihre Augen. Sie setzt sich ins Auto und klappt die Sonnenblende herunter. Sie lässt den Motor an und fährt durch den Ort, dann biegt sie auf den Norgeväg ab.
    Auf der ganzen Fahrt denkt sie einfach an nichts. Daran, wie die Straße sich dahinschlängelt. Wie Bilder sich ändern. Wütend blauer Himmel. Weiße Wolkenfetzen, die sich auf ihrem raschen Zug über die Bergrücken zerfransen. Scharfe, grobe Schluchten. Der lang gestreckte Torneträsk wie ein glänzend blauer Stein, umsponnen von hellem Gold.
    Als sie Katterjåk passiert, taucht er auf. Ein Lastwagen. Lisa behält ihr hohes Tempo bei. Und öffnet ihren Sicherheitsgurt.

REBECKA MARTINSSON GING hinter Teddy her in den Keller. Es war eine grün angestrichene Steintreppe, die sich unter das Haus wand. Teddy öffnete eine Tür. Dahinter lag ein Zimmer, das als Speisekammer, Werkstatt und Vorratsraum benutzt wurde. Alles war voll gestellt. Es war feucht. Die weiße Wandfarbe wies hier und da schwarze Punkte auf. An manchen Stellen blätterte sie ab. Es gab einzelne Regalbretter mit Marmeladegläsern, mit Schachteln mit Nägeln und Schrauben und allen möglichen Beschlägen, es gab Farbdosen, Lackdosen und hart gewordene Pinsel, Eimer, Strommesser, jede Menge Kabel. An den freien Wandflächen war Werkzeug aufgehängt.
    Teddy machte »pst«. Hielt sich den Zeigefinger an den Mund. Er nahm ihre Hand und führte sie zu einem Stuhl, auf den sie sich setzte. Er kniete auf dem Kellerboden und tippte mit dem Nagel darauf.
    Rebecka saß ganz still da und wartete.
    Aus der Brusttasche seiner Jacke zog Teddy eine fast leere Packung Butterkekse. Raschelte mit dem Papier, zog einen Keks heraus und brach ihn in Stücke.
    Und da kam eine kleine Maus über den Boden gewetzt. Sie sprang in Schlangenlinien auf Teddy zu, blieb vor seinem Knie stehen, erhob sich auf die Hinterbeine. Sie war braungrau und nicht mehr als vier oder fünf Zentimeter groß. Teddy hielt ihr einen halben Keks hin. Die Maus versuchte, ihn zu schnappen, doch da Teddy nicht losließ, blieb sie stehen und knabberte. Außer dem Knabbern war nichts zu hören.
    Teddy drehte sich zu Rebecka um.
    »Maus«, sagte er. »Klein.«
    Rebecka glaubte, die Maus müsse doch vor der lauten Stimme Angst haben, aber die Maus knabberte unbeeindruckt weiter. Rebecka nickte Teddy zu und lächelte strahlend. Es war ein seltsamer Anblick. Der riesige Teddy und die winzige Maus. Sie hätte gern gewusst, wie er das gemacht hatte. Wie er die Maus dazu gebracht hatte, ihre Furcht zu überwinden. Konnte er so geduldig gewesen sein, dass er hier unten ganz still gewartet hatte? Vielleicht.
    Du bist ein ganz besonderer Junge, dachte sie.
    Teddy streckte den Zeigefinger aus und
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