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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wobei sie sich neugierig, aber dezent im Raume umblickte. Raven folgte ihr langsam nach, um möglichst lange den Anblick ihrer gleitenden Bewegungen auskosten zu können.
    Sie war hoch gewachsen, stellte er fest, mindestens einhundertundsiebzig Zentimeter, und kräftig gebaut, so viel ließ ihr streng geschnittenes Kostüm erkennen. (Da sie keinen Mantel anhatte, vermutete Raven, dass sie mit dem Wagen gekommen war.) Sie trug hochhackige Schuhe und Strümpfe mit Naht. In der linken Hand hielt sie ein Diplomatenköfferchen.
    Als Raven ihr den Besuchersessel zurechtrückte, damit sie bequem Platz nehmen konnte, fühlte er sich ein bisschen wie Humphrey Bogart, dem er äußerlich aber nicht im Geringsten ähnelte. Straffer als gewöhnlich marschierte er um den Schreibtisch herum und setzte sich ebenfalls, diesmal allerdings erheblich manierlicher.
    Bevor er sich einen geschickten Eröffnungssatz auszudenken vermochte, den er hervorbringen konnte, ohne dass seine Zähne vor Nervosität aufeinander schlugen, nahm ihm die Erscheinung diese Arbeit ab.
    »Mein Name ist Melissa McMurray«, sagte sie. »Ich komme zu Ihnen, weil drei Männer und ein Schiff verschwunden sind. In der Karibik. Ich möchte, dass Sie sie finden.«
    Bevor Raven auch nur Zeit fand, sich von seiner ersten Überraschung zu erholen, griff Melissa McMurray schon zu dem Diplomatenköfferchen, das sie neben sich auf dem Boden abgestellt hatte, legte es flach über ihre Knie und ließ die Verschlüsse aufschnappen. Mit ihren langen, schlanken Fingern holte sie einen grauen Schnellhefter heraus und warf ihn vor Raven auf die Platte des Schreibtisches. Unwillkürlich zuckte Raven zusammen.
    »Das sind Fotos der drei Männer und Dossiers über sie«, erklärte die junge Frau sachlich. »Dazu alle verfügbaren Daten über ihren Kutter und ihre Ausrüstung. Die drei waren Berufstaucher und der Kutter ihre Operationsbasis.«
    »Und sie sind in der Karibik getaucht«, schloss Raven messerscharf, was in diesem Falle allerdings auch nicht schwer war. »In Ihrem Auftrag?«
    »Im Auftrag des Britischen Museums. Zu dessen Forschungsstab ich gehöre.«
    Raven nickte bedächtig. Die Zusammenhänge waren ihm sofort klar. In der Karibik lagen noch eine ganze Menge Wracks auf dem Meeresgrund, die kunst- und kulturgeschichtliche Kostbarkeiten ersten Ranges bergen mochten - Beutestücke der Spanier und Portugiesen, die den südamerikanischen Subkontinent ausgeplündert hatten. Und natürlich Mexiko mit seiner Aztekenkultur. Gab es eigentlich Hehler für gestohlene Götzenbilder?
    Aber dieser Punkt hatte vorläufig noch Zeit. Zuerst einmal musste er sich die Angaben über die Verschwundenen anschauen. Er griff nach dem Schnellhefter.
    Als er den Deckel aufklappte, sprang ihm als Erstes das Porträtfoto eines blonden, bärtigen, breit lachenden Naturburschen mit wettergegerbter Haut und strahlend blauen Augen entgegen. Nachdem Raven nur fünf Sekunden das Bild betrachtet hatte, war er sich sicher, dass er diesen Mann von nun an überall und zu jeder Zeit wieder erkennen würde. Seiner Erfahrung nach hatten Leute mit markanten Gesichtern es immer schwer unterzutauchen. Er musste grinsen. Der Taucher, der untertauchte ...
    »Nick Jerome«, riss ihn die samtige Stimme Melissa McMurrays aus seinen Gedanken. »35 Jahre alt. Amerikaner. Keine Vorstrafen. Er arbeitet seit acht Jahren für uns, und zwar zu unserer vollsten Zufriedenheit. Ansonsten hätten wir ihm diesen Auftrag nicht anvertraut.«
    Raven fragte sich, ob dieses »uns« wohl ein pluralis majestatis war, ein Herrscherplural. Wir, von Gottes Gnaden Königin ... Er beschloss, Dossier Dossier sein zu lassen, und blätterte einfach weiter zum nächsten Bild. Melissa McMurray schien mit dieser Vorgehensweise einverstanden zu sein.
    »Jeffrey Alan Kurtz, 38 Jahre. Ebenfalls Amerikaner. Er war von Anfang an Jeromes engster Mitarbeiter. Eine Vorstrafe wegen Trunkenheit am Steuer und Randalierens unter Alkoholeinfluss. Das liegt aber schon zwölf Jahre zurück. Heutzutage ist er völlig clean, sonst hätte Jerome ihn nicht engagiert. Unter Wasser muss man sich auf seine Partner verlassen können. Das ist lebenswichtig.«
    Raven nickte nachdenklich. Kurtz war ein kleiner, drahtiger Mann mit Lachfältchen um die Augen und einem bläulichen Bartschimmer. Er konnte sich vermutlich drei Mal am Tag rasieren und würde trotzdem noch den SEÑORITAS beim Küssen und Kosen die zarten Wangen wund scheuern.
    Wie komme ich eigentlich auf
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