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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Wasser. Rückwärts trieb Jeff in den Haufen aus Skeletten. Sein Gesicht war zu einer Maske des Grauens verzogen.
    Sofort setzte Nick nach. Er handelte mit der Gedankenlosigkeit eines Roboters. Und viel mehr war er in diesen Augenblicken auch nicht.
    Die blau schimmernde Klinge senkte sich in Jeffs rechten Oberschenkel. Blut schoss aus der Wunde, wand sich in einem spiraligen Faden durch das aufgewühlte Wasser der kleinen Kajüte. Jeff ächzte vor Schmerz auf und verlor dabei fast sein Mundstück. Hals über Kopf rollte er rückwärts durch die nun endgültig zerfallenden Skelettreste, krampfhaft bemüht, die Kontrolle über sich wiederzugewinnen. Wenn es ihm gelang, durch die Luke zu entkommen ...
    Es gelang ihm nicht. Bevor er überhaupt seine Bewegungen wieder koordinieren konnte, war Nick Jerome über ihm und trieb ihm die Klinge des Tauchermessers in die Kehle.
    Jeff Kurtz zuckte im Todeskampf. Dann trieb sein Körper quer durch die Kajüte, prallte gegen eine der hölzernen Wände und rutschte unendlich langsam daran zu Boden. Das im Tode verzerrte Gesicht zeigte einen fragenden Ausdruck. Warum?
    Unwillkürlich hob Nick Jerome die linke, freie Hand - in der rechten hielt er immer noch das blutige Tauchermesser - und signalisierte seinem toten Freund in einem letzten Aufbäumen seines freien Willens: Das wollte ich nicht.
    Langsam drehte er sich auf der Stelle herum und starrte hinüber zu dem nach wie vor geöffneten Kästchen. Der kristallene Totenschädel darin funkelte wie ein unendlich kostbarer Diamant.
    Dieses satanische Funkeln legte sich wie ein Schleier vor Nick Jeromes Verstand. Der Augenblick der Klarheit ging vorüber, so blitzartig, wie er gekommen war. Mit einem leichten Flossenschlag ließ sich Nick nach vorne treiben, bis seine Hände - seine Mörderhände - die goldene Oberfläche des Kästchens berührten.
    Behutsam, fast zärtlich, klappte er den Deckel wieder zu und sicherte ihn mit den kleinen Riegeln. Dann flanschte er das Kästchen an seinem Gürtel fest.
    Kaum eine Minute später war er auf dem Weg zur Oberfläche, dorthin, wo an Bord der LAURA José; wartete - auf ihn und Jeff.
    José, sein zweites Opfer.
    Die Beine auf den Schreibtisch gelegt, lümmelte sich Raven weit zurückgelehnt in seinem Bürosessel und gab sich seiner derzeit einzigen Beschäftigung hin: Er zählte auf dem Kalender die Tage bis zum Monatsersten. Der Monatserste war jenes Datum, an dem die Miete für Ravens kombiniertes Wohn- und Büroapartment im Herzen der City of London fällig wurde.
    Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag.
    Eins, zwei, drei, vier, fünf.
    Am Montag würden in der Bank die Kontoauszüge ausgedruckt werden. Am Dienstag würden sie auf dem Schreibtisch eines eifrigen Sachbearbeiters im Büro der Wohnungsbaugesellschaft liegen, der das Apartmenthaus gehörte, und am Mittwoch würde ein säuberlich und professionell ausgefüllter Vordruck in Ravens Briefkasten landen.
    Die fristlose Kündigung.
    Keine Mahnung mit Angabe der Zahlungsfrist. Und auch keine Ankündigung für den Besuch des zuständigen Gerichtsvollziehers.
    Der Gerichtsvollzieher war ein wirklich netter Mensch, wovon Raven sich bei zahlreichen Gelegenheiten hatte überzeugen können. Man konnte sogar ganz vernünftig mit ihm reden, vielleicht sogar eine letzte Frist herausschinden, um einen verzweifelten Versuch zu unternehmen, die Miete doch noch irgendwie aufzutreiben.
    Bei einem Kündigungsbrief ging das leider nicht, denn Kündigungsbriefe lassen sich auf keine Diskussion ein. Und ein solches gnadenloses Schreiben war diesmal fällig, denn Raven stand seit seinen letzten Zahlungseskapaden endgültig auf der (natürlich inoffiziellen) Schwarzen Liste.
    Das hatte ihm jedenfalls ein erzürnter Vertreter der Wohnungsbaugesellschaft überdeutlich zu verstehen gegeben, als Raven sehr klein und bescheiden vor einem sehr, sehr großen und eher unbescheidenen Schreibtisch in einem sehr, sehr, sehr großen und geradezu protzigen Büro gestanden hatte.
    Ravens einzige Hoffnung - dass er einen Auftrag erhielt, der ihm noch einmal über die Runden half, schloss er vorsichtshalber gleich von Anfang an aus - hieß jetzt Janice Land. Janice war Ravens Verlobte und Assistentin (böse Zungen, darunter auch die von Janice selbst, behaupteten, er habe sich bloß mit ihr liiert, um das Honorar für ihre Dienstleistungen zu sparen), und im Augenblick war sie unterwegs, um eine Stelle für sich zu suchen. Was bei den derzeitigen
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