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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich.
    Holzstücke bröckelten ab. Ein Spalt entstand.
    Nick ließ das Messer los, sodass es langsam auf das Kajütendach sank, und griff mit beiden Händen zu. Jeff folgte seinem Beispiel.
    Mühelos zogen sie den Deckel zur Seite.
    Eine große Spannung hatte die beiden Männer ergriffen.
    Jeff leuchtete mit seinem Scheinwerfer in die Öffnung und beugte sich vorsichtig über die Kante. Nick folgte seinem Beispiel, aber erst, nachdem er das Messer wieder an sich genommen hatte. Einem Impuls folgend, steckte er es nicht wieder in die Scheide zurück, sondern behielt es in der Faust.
    Der Lichtstrahl war so stark, dass er die kleine Kajüte schattenlos erhellte.
    Die Kajüte und - die vier Skelette, die zusammengesunken auf dem Fußboden lagen!
    Nick zuckte bei diesem Anblick unwillkürlich zusammen. Bei seinen Tauchexpeditionen hatte er zwar schon oft die Überreste ertrunkener Seeleute gefunden, aber er hatte sich nie an diesen grausigen Anblick gewöhnen können. Am stärksten berührten ihn immer wieder die bleichen Schädel mit ihren leeren Augenhöhlen.
    Als er sich zwang, genauer hinzusehen, entdeckte er, dass die Augenhöhlen eines der Schädel durchaus nicht leer waren. Messerklingen, deren Griffe längst verrottet waren, steckten darin - eine in jedem Auge.
    Nicks Magen krampfte sich zusammen. Mit einem Seitenblick stellte er fest, dass es Jeff ähnlich ging.
    Gehen wir trotzdem runter?, signalisierte er fragend.
    Diesmal war Jeff der Entschlossenere. Klar.
    Behutsam ließen sie sich durch die Luke hinab, wobei sie sorgfältig darauf achteten, die Skelette nicht zu berühren. Aber allein die von ihren Flossenschlägen erzeugte Strömung reichte aus, um ein paar lose Fingerknöchelchen über den sandigen Boden des Raumes davonwirbeln zu lassen.
    Nick schluckte. Angeekelt ließ er seine Blicke durch die Kabine schweifen - und sah das Kästchen.
    Es stand in einer Ecke des Raumes, halb unter Sand begraben. Und es übte eine unheilige Faszination auf Nick aus - von jenem Augenblick an, da sein Blick zum ersten Mal darauf ruhte.
    In seinem Kopf begann sich alles zu drehen. Schwindel überfiel ihn, und seine Bewegungen wurden für einen winzigen Moment unkontrolliert. Mit seiner rechten Schwimmflosse streifte er einen der Schädel, der unter der Berührung zu winzigen Fragmenten zerbröselte.
    Nick bemerkte es nicht. Er stieß sich schwach von der Kajütenwand ab und trieb taumelnd zu dem Kästchen hinüber. Beugte sich darüber und berührte es mit seinen bebenden Fingerspitzen.
    TÖTEN.
    Nick erkannte, dass das Kästchen ganz aus Gold gefertigt war. Auf der stumpf gewordenen Oberfläche ertastete er Reliefs, deren Bedeutung er nicht verstand. Sie zeigten Wesen - mehr Tier als Mensch und doch wiederum nicht einmal mehr Tier -, die der Fantasie eines aztekischen Hieronymus Bosch entsprungen zu sein schienen.
    Wenn dieses Kästchen überhaupt aztekischen Ursprungs war und nicht unendlich viel älter ...
    Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. Unwillig schüttelte er sie ab.
    Der Deckel des Kästchens war sehr sorgfältig verriegelt. Auf den Riegeln wiederum befanden sich die geweihten Siegel, von denen in den Dokumenten die Rede gewesen war.
    Unaussprechlicher Ekel überkam ihn. Wie ein Rasender begann er, die Wachsflächen mit den darin eingeprägten christlichen Zeichen mit der Messerklinge abzukratzen, damit sie nicht länger das Kästchen besudelten. Das Wachs löste sich in dicken Spänen. Kreuz und Gottesauge verschwand.
    TÖTEN. TÖTEN.
    Was tue ich da eigentlich?, durchfuhr ein entsetzter Gedanke Nicks panikerfülltes Gehirn. Bin ich verrückt geworden? Bin noch ich es, der das hier macht? Was tut da etwas durch mich?
    Die Riegel schnappten zurück.
    Mit einem wahnsinnigen Schluchzen in der Kehle klappte Nick Jerome den Deckel hoch.
    Ein grelles Licht brach aus dem Innern des Kästchens und brannte sich in Nicks Augen hinter der Taucherbrille.
    Brannte sich in seinen Geist. Brannte sich in seine Seele.
    Das Licht erlosch. Nick blickte in das Kästchen.
    Der Tod lachte ihn an, kristallklar und ewig. Griff hinaus und machte Nick Jerome endgültig zu seinem Diener, bloß durch einen einzigen kristallklaren Gedanken. Ganz mühelos. DU BIST MEIN.
    Und dann:
    TÖTEN. TÖTEN. TÖTEN.
    Nick wirbelte herum. Das Messer in seiner Faust zuckte hoch.
    Jeff Kurtz' fantastische Reflexe verlängerten sein Leben um ein paar Sekunden. Er wich blitzschnell zurück, und die Klinge pflügte Millimeter vor seiner Brust durch
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