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Ratgeber Magersucht

Ratgeber Magersucht

Titel: Ratgeber Magersucht
Autoren: Thomas Paul
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Erziehungsstil, perfektionistische Ideale, sexueller Missbrauch, weiblicher Narzissmus, Angst vor dem Erwachsenwerden etc. Dabei handelt sich nicht selten um reine Spekulationen, die einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Allgemein geht man heutzutage davon aus, dass kein einzelner Faktor allein die Ursache für eine derartige komplexe Erkrankung sein kann. Bei der Magersucht handelt es sich vielmehr um eine psychosomatische Erkrankung, die durch das gleichzeitige Zusammenwirken von sehr unterschiedlichen Faktoren hervorgerufen werden kann. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Risikofaktoren aufgezeigt werden, die mit wissenschaftlichen Methoden überprüft wurden und die für das Entstehen einer Magersucht und/oder die Aufrechterhaltung als bedeutsam anzusehen sind. Viele der Faktoren sind dabei nicht spezifisch für Magersucht, sondern spielen vermutlich bei der Entstehung verschiedenster psychischer Störungen eine Rolle. Danach soll in einem einfachen Modell der Magersucht das mögliche Zusammenwirken dieser Faktoren dargestellt werden.
Soziokulturelle Faktoren
    Man kann allgemein davon ausgehen, dass spezifische soziokulturelle Faktoren die Entstehung von Essstörungen begünstigen. Das in Westeuropa und in Nordamerika vorherrschende Schlankheitsideal schreibt ein Gewicht vor, das unter dem biologisch vorgegebenen Gewichtsbereich bzw. Normalgewicht der meisten Frauen liegt. Schlanksein ist höchst bedeutsam für Attraktivität, und diese Botschaft wird durch entsprechende Vermarktung über Medien, Modezeitschriften, die Schlankheitsindustrie und neuerdings in zunehmendem Maße auch durch die Plastische Chirurgie transportiert. Um erfolgreich zu sein, ist es daher für eine junge Frau nahezu ein Muss , schlank zu sein. Von vielen heranwachsenden Frauen werden daher gerade die körperlichen Veränderungen während der Pubertät besonders verunsichernd erlebt. So beginnen nicht wenige in dieser Lebensphase eine erste Diät oder treiben vermehrt Sport zur Gewichtsabnahme, was ein erster Schritt in Richtung Magersucht sein kann.
Gezügeltes Essverhalten/Bewusste Gewichtsabnahme
    Viele Symptome, die mit der Magersucht einhergehen und die früher als spezifische Merkmale von Magersüchtigen interpretiert wurden, können als Folge des gravierenden gezügelten Essverhaltens mit Verboten bestimmter Lebensmittel und der starken Gewichtsabnahme verstanden werden: u. a. gedankliche Fixierung auf Essen und Gewicht, Stimmungsschwankungen, erhöhte Reizbarkeit, depressive Verstimmungen und Aussetzen der Regelblutung. Allein aufgrund des Gewichtsverlusts kann es zu erheblichen körperlichen und psychologischen Veränderungen kommen, die nahezu alle Bereiche des psychischen und sozialen Funktionierens betreffen. Aus einer Vielzahl klinischer Untersuchungen weiß man, dass dem Erkrankungsbeginn bei mehr als 70 % der von Bulimie oder Magersucht Betroffenen eine Phase einer Diät bzw. eines absichtlich herbeigeführten Gewichtsverlusts vorausging. Wie dramatisch die Auswirkungen einer willentlichen Gewichtsabnahme für völlig gesunde junge Menschen sein können, wird immer noch sehr unterschätzt. Einzelne Studien konnten belegen, dass durch willentliche Gewichtsabnahme das Risiko der Entwicklung einer Essstörung um mehr als das 10-Fache erhöht ist.
Familiäre Interaktions- und Kommunikationsmuster
    Da die Erkrankung in der Regel in einer Zeit entsteht, in der die meisten Betroffenen noch zu Hause leben, lag es nahe zu untersuchen, ob nicht spezifische familiäre Interaktions- und Kommunikationsstile der Familie für die Entstehung verantwortlich zu machen sind. Es wurde postuliert, dass die typische Magersuchtsfamilie durch folgende Merkmale gekennzeichnet sei: „Vermaschung“, „Überbehütung, „mangelnde Flexibilität“ und „Konfliktvermeidung“. In groß angelegten Studien konnten diese Behauptungen letztlich aber nicht bestätigt werden. Neuere Studien finden durchaus Hinweise für gestörte familiäre Interaktionsmuster und Kommunikation (z. B. geringer elterlicher Kontakt, hohe Erwartungen der Eltern, geringe Kohäsion, geringer gefühlsmäßiger Ausdruck) und einen unsicheren Bindungsstil bei magersüchtigen Betroffenen. Unklar bleibt dabei aber, ob diese Muster in den familiären Beziehungen Ursachen oder Folgen der Erkrankung des Kindes darstellen. Weiterhin muss nach wie vor davon ausgegangen werden, dass es sich um unspezifische Faktoren handelt, da gestörte familiäre Interaktions- und
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