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Ratgeber Magersucht

Ratgeber Magersucht

Titel: Ratgeber Magersucht
Autoren: Thomas Paul
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die Wahrscheinlichkeit eines gleichzeitigen Erkrankens nur mit 2 bis 5 % angegeben.
Sexueller Missbrauch
    Sexueller Missbrauch wird häufig mit Essstörungen in Verbindung gebracht und als möglicher Risikofaktor benannt. In groß angelegten Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass sexueller Missbrauch bei magersüchtigen Betroffenen im Vorfeld der Essstörung tatsächlich gehäuft anzutreffen ist. Hierbei schwanken die Häufigkeitsangaben zwischen 10 und 70 %. Allerdings handelt es sich auch hierbei um einen unspezifischen Faktor, da Häufungen mit ähnlichen Prozentangaben auch bei anderen psychiatrischen Betroffenengruppen festgestellt werden. Nach unserem klinischen Eindruck gehen wir eher davon aus, dass die weit überwiegende Mehrzahl der magersüchtigen Betroffenen nicht davon betroffen ist.
    Ein allgemeines Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung der Magersucht
    Die moderne Verhaltenstherapie geht davon aus, dass vor Beginn der Erkrankung zumeist eine „allgemeine Unzufriedenheit“ mit dem Leben und der eigenen Person besteht. Hinzu kommen häufig im Vorfeld zwischenmenschliche Probleme und teilweise auch Misserfolgserlebnisse , die aus den verschiedensten Bereichen herrühren können (Freundschaften, Schule, Sport etc.). Daneben haben viele der Betroffenen perfektionistische Tendenzen. Aus dieser unglücklichen Gesamtsituation erwächst ein starkes Bedürfnis, zumindest einen Aspekt im Leben kontrollieren und beherrschen zu können. Am Anfang werden daher viele spätere Betroffene mit einer Magersucht versuchen, die unterschiedlichsten Aspekte ihres Lebens zu optimieren, wie die Arbeit, Schule, Sport oder andere Interessen. Gelingt ihnen dies nicht befriedigend, so kann schon bald die Kontrolle über das Essen außerordentlich wichtig werden, da dadurch überprüfbare schnelle Erfolgserlebnisse möglich sind. Das allgemeine Bedürfnis nach Kontrolle konzentriert sich aus folgenden Gründen immer mehr auf den Essensbereich:
Erfolgreiche Nahrungseinschränkung führt zu einem direkten und schnellen Beweis von Selbstkontrolle, diese ist nur abhängig von der Person selbst. Bei vielen anderen Bereichen sind andere Personen beteiligt, die damit auch indirekt Kontrolle ausüben könnten.
Gezügeltes Essverhalten ist besonders verstärkend für Menschen, die sowieso schon zu asketischen und perfektionistischen Verhaltensweisen neigen.
Kontrolliertes Essen hat einen starken Effekt auf andere Mitmenschen, im besonderen die Familie, und kann bei den häufig schwierigen familiären und sozialen Verhältnissen viel bewirken. Häufig berichten auch Betroffene von starken Gefühlen der Macht , die sie in ihrer Erkrankung gegenüber anderen erleben.
Die Tatsache, dass die Erkrankung typischerweise in der Jugendzeit beginnt, kann ein Hinweis darauf sein, dass die Entwicklung zur Frau und der damit einhergehende Rollenwechsel – mit seinen evtl. angstbesetzten neuen Anforderungen – gebremst oder sogar rückgängig gemacht werden soll – aus welchen Gründen auch immer.
    Durch das Diätverhalten bekommen die Betroffenen direkt und unmittelbar das Gefühl Kontrolle zu haben. Sie entschließen sich, ihr Essen einzuschränken und sind darin in hohem Ausmaß erfolgreich. Die Nahrungseinschränkung bezieht sich dabei nicht nur auf die Menge, sondern auch auf die Art der Nahrung und weitet sich teilweise auch auf die Zeit aus, in der überhaupt Essen zu sich genommen werden darf. Es werden perfektionistische Standards auf die Nahrungseinschränkung angewendet und diese werden als extreme diätetische Regeln formuliert.
    Der anfängliche Erfolg bei der Nahrungseinschränkung und das darauf folgende gute Gefühl der Selbstkontrolle führen zu einer weiteren Nahrungseinschränkung. Dieses Gefühl der erhöhten Selbstkontrolle wird von Betroffenen häufig mit folgenden Vokabeln beschrieben: „sehr angenehm, inspirierend, triumphal, stolz, machtvoll“ etc. Manche Betroffene beschreiben auch, dass sie dadurch Kontrolle über ihre Gefühle erhalten und die Erfahrung machen, dass sie eine erhöhte Wachsamkeit spüren. Mit der Zeit wird aus dem Gefühl der Kontrolle über das Essen sowohl ein Merkmal für die allgemeine Selbstkontrolle als auch für das Selbstwertgefühl. Da sich die Interessensbereiche aufgrund des körperlichen Mangelzustandes zunehmend einengen, bekommt die Kontrolle über das Essen als Zeichen von Selbstkontrolle und des Selbstwerts immer mehr Bedeutung. Daraus resultiert, dass die Betroffenen
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