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Ratgeber Magersucht

Ratgeber Magersucht

Titel: Ratgeber Magersucht
Autoren: Thomas Paul
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schließlich durch erfolgreiches Kontrollieren ihres Essens all das kontrollieren, was in ihrem Leben von Bedeutung ist. Auf diesem Wege gelingt es ihnen auch, potenzielle andere Schwierigkeiten zu vermeiden (wie familiäre Probleme, Umgang mit anderen, Rollenwechsel, Sexualität etc.).
    Erfolgreiche Kontrolle im Essensbereich und der daraus resultierende Anstieg des Selbstwertgefühls im Kontext wahrgenommener Misserfolge (Fehlschläge, Versagen etc.) in anderen Bereichen macht die Einschränkung der Nahrungsaufnahme zu einem äußert positiven Verstärker. Dies erklärt zu einem großen Teil, warum dieses Verhalten so veränderungsresistent ist. Mit der Zeit mündet es sogar darin, dass Betroffene sich selbst als „wir Anorexien“ oder Ähnliches definieren. Sie erleben ihre Identität als darauf beruhend, dass sie die Nahrung einschränken und magersüchtig sind. Diese Verbindung von Identität und Essstörung führt schließlich bei einigen dazu, dass diese Störung als „zu sich selbst gehörig“ erlebt wird.

    Abbildung 1: Modell der Magersucht
    Allerdings führt die Nahrungseinschränkung zu einem Mangelzustand , der durch eine Reihe charakteristischer psychologischer und physiologischer Veränderungen gekennzeichnet ist: starke Hungergefühle, schnelle Sättigung, Konzentrationsstörungen, Stimmungslabilität, vermehrte Depression, ständiges Denken ans Essen etc. Einige dieser Veränderungen führen bei den Betroffenen zu dem Gefühl des Verlusts von Kontrolle. So kann z. B. der starke Hunger, den einige Betroffene erleben, als Bedrohung bzgl. der Kontrolle des Essens angesehen werden. Das frühe Völlegefühl kann als Misserfolg hinsichtlich der Selbstkontrolle gewertet werden. Auch die verminderte Konzentration kann das Gefühl von Kontrolle reduzieren, da Personen, die sich nicht gut konzentrieren können, weniger fähig sind, Ereignisse zu verfolgen. Diese können daher als unberechenbar und folglich unkontrollierbar angesehen werden. Schließlich führt die verstärkte gedankliche Beschäftigung mit Lebensmitteln und Essen sowie die Abnahme des Interesses für andere Dinge zu einer Steigerung der Tendenz, Kontrolle über Essen als ein Merkmal für Selbstkontrolle und Selbstwert zu definieren. Dadurch schließt sich letztlich der „Teufelskreis“ der Magersucht. Oft erkennen die Betroffenen erst nach einem langen Leidensweg, dass der scheinbare Lösungsweg für eines oder mehrere Probleme in eine Sackgasse mündet.

3     Was kann man gegen eine Magersucht tun?
3.1   Kann man selbst etwas tun?
    Weit verbreitet in der Allgemeinbevölkerung ist eine „normale Unzufriedenheit“ mit der eigenen Figur und „normales Diäthalten“. Der Übergang zur Magersucht ist fließend, und während die Betroffene oft noch denkt, dass sie ihr Essverhalten gut „im Griff“ hat, kann sie schon im Teufelskreis der Magersucht gefangen sein. Erschwerend kommt hinzu, dass von einer Magersucht Betroffene häufig gegenüber sich selbst als auch gegenüber ihrem Umfeld die Erkrankung herunterspielen. Dies liegt oft an der großen Angst vor Veränderung und den damit verbundenen Folgen, auch wenn der jetzige Zustand als sehr quälend erlebt wird. Ein ganz wichtiger Schritt zur Überwindung der Essstörung ist es deshalb, sich selbst gegenüber ehrlich einzugestehen, dass Probleme im Essensbereich bestehen. Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und dem Behandler sind in der gesamten Behandlung eine zentrale Voraussetzung dafür, die Erkrankung zu überwinden.
    Um die notwendige Kraft zu schöpfen, sich der Angst vor Veränderung zu stellen, ist es hilfreich, sich damit zu beschäftigen, was sich durch die Magersucht in Ihrem Leben verändert hat. Welche Auswirkungen hat die Magersucht z. B. auf Ihre Stimmung, auf Ihren Freundeskreis, auf Ihre engsten Beziehungen wie zum Partner oder zu Familienmitgliedern, auf Ihre schulische oder berufliche Leistungsfähigkeit? Können Sie persönlich etwas gewinnen, wenn Sie die Magersucht aufgeben? Wofür lohnt es sich? Welche Ziele, die Sie in Ihrem Leben haben, können Sie mit der Magersucht nicht erreichen?
    Zur Beschäftigung mit diesen Fragen können Sie Arbeitsblatt 1 bearbeiten.
    Der nächste Schritt für Sie kann dann sein, sich an Ihren Hausarzt, einen Diplom-Psychologen, eine Beratungsstelle oder eine Selbsthilfegruppe zu wenden und gemeinsam zu überlegen, welche Form der Behandlung für Sie die richtige ist. Mithilfe des Kastens auf Seite 39 können Sie
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