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Rashminder Nächte (German Edition)

Rashminder Nächte (German Edition)

Titel: Rashminder Nächte (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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er echte Todesangst, sie betäubte und lähmte ihn an Leib und Seele. Ein Magier war gewöhnlichen Menschen weit überlegen. Wenn Kaiden einen Moment Konzentration bekäme, könnte er Eryk zu einem Häuflein Asche verbrennen. Eryk gab ihm diesen Moment leider nicht, sondern stürzte sich auf ihn, hielt ihn mit den Knien nieder und presste ihm das Schwert unter das Kinn, sodass es ihm in die Haut schnitt.
    „Keinen Laut. Keine Regung, sonst ist’s vorbei, Magier!“ Eryk spuckte ihm diese Worte regelrecht entgegen, das Gesicht vor Wut verzerrt. Kaidens Puls hämmerte so laut in seinen Ohren, dass er den Gardisten kaum verstand. Er blickte gerade seinem Mörder in die Augen, und da er die Hände nicht zu einem Zauber heben konnte, war er ihm wehrlos ausgeliefert. Nach einem langen Moment ließ Eryk allerdings von ihm ab und wich ein Stück zurück. Schwer atmend blieben sie beide am schlammigen Boden der Gasse. Als Eryk über ihm auftauchte, zuckten Kaidens Fäuste voran, bereit, seinen Gegner magisch niederzustrecken. Doch wieder war der Soldat schneller als er, packte ihn an den Armen und rang ihn mühelos nieder.
    „Hör auf, ich will dich nicht töten!“, rief Eryk und starrte verzweifelt auf ihn herab. „Ich tu dir nichts. Wäre auch sinnlos. Man würde einfach den nächsten Magier schicken, nicht wahr?“ Fahrig wischte sich Eryk über das ausgezehrt wirkende Gesicht. Kaiden ließ sich ohne Gegenwehr zurücksinken und wartete, bis sein Körper verstanden hatte, dass die Gefahr vorbei war. Er spürte, Eryk hatte aufgegeben. Eine Welle widersprüchlicher Gefühle erfasste ihn für diesen so gequält aussehenden Mann – Mitgefühl, Sympathie, Wut.
    Langsam setzte er sich auf, ignorierte die Erschöpfung, die auf so viel Panik folgte, und musterte ihn misstrauisch.
    „Warum bist du weggelaufen?“, fragte er dann leise, darauf bedacht, ihn nicht zu reizen.
    „Was interessiert dich das? Du hast mich gesucht und gefunden. Mehr brauchst du nicht zu wissen.“ Eryk schnaufte zornig. „Du würdest mir sowieso weder glauben noch verstehen …“
    „Das weißt du nicht.“ Kaiden schrie sich selbst innerlich zu, kein weiteres Wort mehr zu verschwenden, sondern so rasch wie möglich vor diesem gefährlichen Irren zu fliehen, die Garde zu holen, seine Belohnung zu kassieren und sich nicht weiter darum zu kümmern. Sollten sie ihn halt hängen!
    Doch der junge Mann wirkte ernstlich verzweifelt, darum setzte sich Kaiden näher heran und wiederholte nur: „Warum bist du weggelaufen?“
    „Das bin ich nicht!“, schrie Eryk ungehalten, sank dann in sich zusammen. „Das bin ich wirklich nicht.“
    Kaiden redete eine Viertelstunde auf den Gardisten ein, bis dieser schließlich zermürbt aufgab und mit leiser Stimme berichtete, wie er vor zwei Tagen ganz normal Wache gestanden hatte.
    „Da war ein Schrei, und im Mondlicht sah ich eine Gestalt, die im Fluss trieb. Ich hatte den Mauerabschnitt direkt neben dem Anidis.“ Kaiden nickte verständig, der Anidis war ein recht tiefer, rasch fließender Fluss, der jedes Jahr dutzende Menschen in den Tod riss.
    „Ich hab nicht nachgedacht, sondern bin einfach ins Wasser gesprungen. Meine Kameraden waren zu weit entfernt, wenn ich erst nach ihnen gerufen hätte, wäre der Mann längst abgetrieben worden. Ich habe gekämpft, gestrampelt, gerufen … Alles umsonst. Als ich mich irgendwann ans Ufer zog, war ich ihm nicht einen Moment lang näher gekommen. Er ist einfach ertrunken, vor meinen Augen.“ Eryk hieb mit der Faust auf den Boden. „Ich hatte nur helfen wollen, und bin deswegen von meinem Wachposten desertiert. Wir dürfen das nicht, unter gar keinen Umständen. Bevor nicht wenigstens ein zweiter Mann da ist, der die Notwendigkeit bezeugen kann, darf niemand von seinem Posten. Selbst wenn auf der anderen Seite der Mauer gerade eine Jungfrau von einem dreigehörnten Schattenfresser verfolgt wird.“
    „Aber die Garde soll doch schützen!“, begann Kaiden verwirrt.
    „Es braucht nun mal Zeugen, dass wir wirklich einen echten Grund haben, die Mauer im Stich zu lassen und damit Leib und Leben der gesamten Stadtbevölkerung zu riskieren. Andernfalls könnte jeder eine Runde schlafen oder sich besaufen gehen und behaupten, er wollte nur einen Räuber verfolgen.“ Verbittert schüttelte Eryk den Kopf, bevor er ihn auf den Knien ablegte, die er dicht an den Körper gezogen hatte.
    „Wenn ich wenigstens den Mann gerettet hätte, wäre mir niemand gram gewesen. So hab ich
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