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Raphael

Raphael

Titel: Raphael
Autoren: Mathilda Grace
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keinerlei Chance gegen Raphael und Setjan hätte, lasse ich jetzt mal ganz diskret unter den Tisch fallen.
    Grinsend wende ich mich von Setjan ab, der gerade genießerisch seufzt und lasse meinen Blick stattdessen über die Menge auf der Tanzfläche unter mir wandern. Der Club ist wie immer brechend voll und es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis die ersten Paare zusammen verschwinden. Allgemein mit einem Taxi, denn wer ins 'Bizarre' kommt, bleibt üblicherweise nicht nüchtern – abgesehen von uns Vampiren.
    Wir haben es in vielen Dingen leichter als Menschen. Stundenlange Brautschau und nervige Balzrituale fallen weg, genauso wenig müssen wir uns einen Kopf darum machen, wie wir nach einer Party nach Hause kommen. Kein Vampir braucht ein Auto. Wozu auch, wenn man sich schneller bewegen kann, als das menschliche Auge in der Lage ist zu erfassen. Für alles andere gibt es Taxis, Busse, Bahnen oder die Frachträume von Schiffen und Flugzeugen, wenn man weiter weg muss.
    Uns geht Vieles, was die Sterblichen ausmacht, mehr oder weniger ab. Der Geruch zum Beispiel. Hier im Club riecht es nach Schweiß, Parfüm und Alkohol. Menschen trinken und sie schwitzen. Im Gegensatz zu uns. Selbst nach einem Lauf über unzählige Hausdächer, kommt ein Vampir frisch und munter an seinem Ziel an. Sofern er nicht zwischendurch vom Dach gefallen ist, wie ich bei meinem ersten peinlichen Versuch, den Platz zwischen zwei Häuserdächern mit einem Sprung zu überbrücken. Danach habe ich gestunken. Bestialisch sogar. Aber wer tut das nicht, wenn er in einem Müllcontainer landet?
    Normalerweise riechen Vampire aber nicht, außer sie benutzen freiwillig ein Parfum, was auf potenzielle Opfer natürlich anziehender wirkt. Raphael benutzt 'Davidoff', irgendein teures Zeug, das ich mir von meinem Gehalt nie leisten könnte. Ich bin nur ein kleiner Mitarbeiter in der Herrenmodeabteilung eines Kaufhauses. Pardon, ich war ein Mitarbeiter. Aktuell gelte ich bei den hiesigen Behörden als vermisst, weil man in der U-Bahn keine einzige Leiche gefunden hat. Wird man auch nicht, denn die sind schon lange aufgefressen oder verwest. Käfer, Maden und vor allem Ratten sind die besten Mülleimer, wenn es um die Entsorgung von Körpern geht. Und wer interessiert sich schon für einige Knochen, die vielleicht irgendwann entdeckt werden?
    Spuren hat man in dem Bahnwaggon ebenfalls nicht gefunden und das ist etwas, was ich bei uns verdammt praktisch finde, sonst säße der Großteil aller Blutsauger wohl längst hinter Gittern. Wir waren vor unserem Tod alle Menschen, aber als Vampir können wir einen Tatort vollgesaut verlassen und trotzdem unerkannt bleiben. Unser Blut zerfällt nämlich, sobald es getrocknet ist oder mit Sonne und offenem Feuer in Kontakt kommt, und Fingerabdrücke hinterlassen wir erst gar keine. Und wer will anhand von Schuhabdrücken oder Kleidungsfasern einen untoten Mörder finden? Das klappt vielleicht beim CSI, aber ohne genauere Spuren oder Zeugen etwas zu beweisen, dürfte schwierig werden.
    Wo wir gerade von Zeugen reden … zwischen all den Tanzenden fällt mir ein großer Mann auf, der irgendwie verloren wirkt. Er kommt mir wage bekannt vor, obwohl ich nicht weiß warum. Ein ehemaliger Freund oder ein Arbeitskollege vielleicht? Mit gerunzelter Stirn betrachte ich ihn. Er steht mit dem Rücken zu mir und das reicht nicht, um aus meiner Erinnerung irgendeinen Namen zu fischen. Woher kenne ich ihn bloß?
    Setjan ist neugierig geworden. Ich spüre seinen Blick auf mir, aber ich bin damit beschäftigt den Blondschopf unten auf der Tanzfläche anzustarren, der sich just in der Sekunde umdreht, seinen Kopf hebt und mich ansieht.
    Mir entgleiten die Gesichtszüge. Entsetzen. Das Wort passt perfekt, um zu beschreiben, was ich augenblicklich fühle, und es ist doch nicht genug. Das ist unmöglich. Er kann nicht hier sein. Er geht nicht in solche Clubs. Nie! Er ist grundsolide, als Teenager fand ich das langweilig und habe es ihm oft genug unter die Nase gerieben. Er hat darüber gelacht und gesagt, mit der Zeit würde ich ihn verstehen. Wie recht er hatte.
    „Der Typ kennt deinen Jungen“, sagt Setjan irgendwo bei mir und meine nächste Reaktion ist rein instinktiv. Ich kann Raphael weder sehen noch hören, als ich den Arm ausstrecke und ihn packe, damit er nicht auf Chris losgehen kann, der langsam und ungläubig schauend in unsere Richtung kommt. Quer über die volle Tanzfläche hinweg, als wäre sie und die Tanzenden auf ihr
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