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Raphael

Raphael

Titel: Raphael
Autoren: Mathilda Grace
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seiner Prognose, bin ich putzmunter. Das könnte natürlich an den beiden Schatten liegen, die mir in Setjans Auftrag seit Montreal folgen, denn dort musste ich bei einem Revierkampf ziemlich einstecken. Aber ich habe es überlebt und egal was noch kommt, ich werde in der nächsten Zeit nicht nach New York City zurückkehren. Obwohl Setjan die Vampire nun führt und Kincade tot ist, gibt es in dieser Stadt nichts, was mich hält. Ich habe keine Familie mehr und Raphael, der einer Familie am nächsten kam, ist tot.
    Asche zu Asche. Staub zu Staub. Und in seinem Fall ist das wörtlich zu nehmen.
    Es gibt kein Grab, an das ich Blumen bringen könnte. Kein Ort, wo ich mich an ihn erinnern könnte. Nachdem die Morgensonne Kincades Bibliothek mit ihren Strahlen überflutet hatte, gab es nichts mehr, was man noch hätte beerdigen können.
    „Hey Junge, da schneite gerade ein Typ rein, der nach Toronto fährt und nichts gegen Tramper hat.“
    Die nette Bedienung, die mir vorhin Kaffee und einen Teller fettiges Essen gebracht hat, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe zu ihr, folge ihrem ausgestreckten Finger Richtung Theke und entdecke einen ziemlich wild aussehenden Typen mit zottigen Haaren, Bart und einer halb herunter gebrannten Zigarre im Mundwinkel. Ein Sucher. Definitiv. Solche Typen erkenne ich mittlerweile auf den ersten Blick. Und weil Sucher im Allgemeinen harmlos sind, gleichzeitig aber jede Menge Geschichten zu erzählen haben, was Langeweile auf der Reise damit ausschließt, werde ich mich definitiv ein wenig näher mit ihm bekanntmachen.
    „Danke, Cindy.“
    Sie nickt lächelnd und wandert die restlichen Tische entlang, um sich um die anderen Gäste zu kümmern. Ich habe mich in ihrer Pause eine Weile mit ihr unterhalten. Cindy ist seit über 25 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Und für die beiden Jahrzehnte, die sie in diesem Diner arbeitet, sieht sie noch richtig gut aus. Schade für mich. Ich habe nichts gegen ältere Frauen, aber ich lasse die Finger von Ehefrauen mit Kindern. Das bringt meist nur Ärger, in Form von Ehemännern, deshalb werde ich sie nicht anrühren, ebenso wenig wie das Essen und den Kaffee.
    Da ich seit dem Aufbruch aus New York ständig einen Block und einen Stift griffbereit habe, denkt hier sowieso jeder, ich wäre ein Autor und würde über die Schreiberei mein Essen vergessen. So kann man als Vampir recht gut durchkommen, ohne sonderlich aufzufallen.
    Dabei schreibe ich gar nicht. Es sind wirre Gedanken über mein Leben, die ich zu Papier bringe, mehr nicht. Vielleicht mache ich eines fernen Tages meine Memoiren daraus, wer weiß. Zeit habe ich ja genug.
     
    Ich weiß nicht, warum er mein Leben gerettet und seines dafür weggeworfen hat. Vielleicht hat er mich in seinen letzten Sekunden mehr geliebt als jemals zuvor ... Alles, was ich tun konnte, war zusehen, wie er starb.
     
    Schon wieder das veränderte Zitat aus Blade Runner. Ich weiß nicht, warum ich immer wieder auf diese Worte zurückkomme. Dieser Film muss mich mehr beeindruckt haben, als ich dachte. Aber Rutger Hauer war darin eine Maschine, deren Zeit einfach abgelaufen war, während Raphael seine Unsterblichkeit freiwillig aufgegeben hat. Warum? Ich denke schon lange darüber nach, aber eine Antwort habe ich bis heute nicht gefunden. Kincade wäre auch ohne ihn verbrannt. Er ist bei ihm geblieben. Ohne einen Grund. Wieso hat er das getan?
    „Aus Liebe.“
    Ich zucke so heftig zusammen, dass ich die Blockseite einreiße. „Verdammt.“ Mein verärgerter Blick heftet sich auf Setjan, der mir gegenüber Platz genommen hat. Auf dem verdreckten Boden, neben der Sitzbank, steht eine volle Reisetasche. „Was soll das werden?“, frage ich samt einem misstrauischen Blick.
    Setjan grinst lässig und lehnt sich gemütlich zurück. „Wonach sieht es denn aus?“
    Scheinbar hat er vor, mir ab sofort rund um die Uhr auf den Wecker zu fallen. Und als Setjans Grinsen breiter wird, weiß ich, dass ich mit meiner stummen Überlegung ins Schwarze getroffen habe. „Oh nein.“
    Anstatt über meine nicht vorhandene Begeisterung empört zu sein, lacht er. „Ja, ich habe dich auch gern, Caine. Und bevor du das Argument New York City aus dem Hut zauberst, um meine Stadt wird sich gekümmert werden, dafür habe ich mich gekümmert. Denn jetzt, da unser Ältester seine Aufmerksamkeit auf dich gerichtet hat, weil du trotz deines so jungen Alters in den letzten Wochen ohne Hilfe überlebt hast, ist es an der Zeit, dass ich
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