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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf
Autoren: Burghard Pohl
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ist. Vor dem Laden binde ich Kira an ein Verkehrsschild. Jetzt ist erst mal mein Hund an der Reihe, sie bekommt Wiener Würstchen aus dem Glas. Ich esse alles, was ich gerade gekauft habe auf. Dann laufe ich gestärkt weiter.
     
    Nach wenigen Minuten muss ich schon wieder eine Pause machen. Mein kleiner Zeh meldet sich und schmerzt von einer Minute zur anderen tierisch. Ich habe mir meine erste Blase gelaufen! Von jetzt auf gleich, ohne Ankündigung, genau wie das Unwetter. Klasse, das fehlt mir auch noch! Erst das Wetter und jetzt eine Blase. — Ich setze mich mitten auf einen mit Gras bewachsenen Feldweg und ziehe meine Wanderschuhe aus. Die Pilger aus der Bar ziehen einer nach dem anderen an mir vorbei. — Das kommt gut. Soviel wie ich weiß, habe ich kein einziges Pflaster mit. — Ich sehe nach und habe tatsächlich kein Pflaster. Unprofessionell — typisch! Dann muss eben eines meiner zwei Stofftaschentücher dran glauben. Ich nehme eine Ecke davon in den Mund und schneide einen Streifen mit meinem scharfen Cuttermesser davon ab. In diesem Moment kommt Christian angelaufen, der einzige den ich bisher kennen gelernt habe.
    „Was hast Du?“ — „Ich habe mir eine Blase gelaufen.“ Mein Gesicht zeigt ihm meine Schmerzen an. „Hast Du vielleicht Pflaster dabei?“ — Er setzt sich zu mir und hält ausreichend Abstand zu meinem Hund. Angst hat er wohl weniger, aber genügend Respekt. Er packt fast all seine Sachen aus seinem Rucksack und schenkt mir einen ganzen Streifen einfaches Pflaster. Im Gegenzug gebe ich ihm dafür zwei Actimel, die ich gerade gekauft habe. Wir packen alles wieder ein und gehen gemeinsam wieder auf den Weg zurück. — „Christian, Du brauchst nicht mir über zu laufen. Du kannst ruhig gehen. Wenn Du den Willi siehst, richte ihm aus, dass ich hinter ihm herlaufe.“ — Ich humple ein wenig und Christian entfernt sich langsam von mir. — Es ist warm und ich beschließe, einen Mittagschlaf auf der Wiese im Halbschatten zu halten. Kira und ich legen uns ins hohe Gras und erholen uns von den Strapazen der letzten Tage.
     
    Das hat gut getan, anderthalb Stunden tief und fest geschlafen. Wir müssen nun mal wieder los. Willis Vorsprung hat sich bestimmt unaufholbar vergrößert.
    Mitten im Wald stehen zwei Frauen abseits des Weges und machen auch ein Päuschen. Sie sehen uns kommen und eine von ihnen ist sofort fasziniert von meinem Hund. Am liebsten würde sie Kira knuddeln. Ich gebe ihr zu verstehen, dass es besser für sie ist, wenn sie da bleibt, wo sie gerade ist. Wir gehen schleunigst weiter. Aber schon nach kurzer Zeit holen sie mich ein. Ich gehe mit Kira in einen kleinen Seitenweg, damit sie ungehindert an uns vorbei gehen können. Schon wieder will diese Frau Kira streicheln. Aber Kira bellt, knurrt und fletscht ihre Zähne. Das kann nicht gut gehen! Ist die verrückt? Ich sage: „Stop, attention, the dog is dangerous.“ — Sie hört nicht, kommt weiter auf uns zu, und obwohl ich Kira an der Leine habe, schießt sie plötzlich unvermittelt vor. Ich weiß nicht — hat Kira sie irgendwie erwischt? — Sie hält die Hand an ihre Leiste und humpelt zur ihrer Freundin. — Ist es noch mal gut gegangen oder nicht? Alles ging so blitzschnell, dass ich nicht sehen konnte, ob Kira sie gebissen hat. Meine Warnung hätte sie kapieren müssen! — Beide verschwinden so schnell, wie sie gerade gekommen sind.
    Ich habe fünf Kopien meiner Hundehaftpflicht mit. Die erste hätte ich jetzt schon fast gebraucht. — Ich schaue auf mein Handy. Eine SMS von Willi:
     
    Hallo Burghard, ich bin in Larrasoaña, einem kleinen Dorf in einer Herberge und warte dort auf dich.
     
    Ich laufe den ganzen Nachmittag bis zum späten Abend, bevor ich dieses Dorf erreiche. Jetzt rächt es sich, dass ich einen fast zweistündigen Mittagsschlaf gemacht habe. Am Ortseingang sitzen zwei Frauen und ein Mann auf der Brückenmauer. Sie strecken mir im Vorbeigehen zur Begrüßung eine Flasche Wein entgegen. Das ist genau das, was im Moment überhaupt nicht brauche, alles andere, aber keinen Wein. Ich lehne dankend ab.
    Ich bin unsagbar fertig und laufe weiter in diesen winzigen Ort, suche nach der Pilgerherberge, von der Willi geschrieben hat. Ohne Sprach-kenntnisse ist es schwierig, sie zu finden. Aber dann sehe ich ihn und Christian vor der Herberge sitzen. Ich gehe zu ihnen und setze mich auf einen der weißen, wackeligen Plastikstühle. Christian spielt auf seiner Geige gerade ein Lied von Cat Stevens —
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