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RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

Titel: RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Autoren: Christian Jacq
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der auf
das Amt des Pharaos verzichtet habe, wolle nun ein Weilchen reisen. Und in
diesem fernen Land könnte der König von Lakedämon ihn dann als Gefangenen
halten, bis Ramses, von allen vergessen, umkam. Und Nefertari würde ihrer
ursprünglichen Berufung gemäß in einem Tempel in der Provinz eingesperrt
werden.
    Chenar ließ die Diener zu sich rufen, die mit der
Pflege seines Haares, seiner Hände und Füße betraut waren. Der künftige
Herrscher Ägyptens war sich untadelige Vornehmheit schuldig.
    Die große königliche Gemahlin verkündete dem Hof das
Hinscheiden Sethos’. Im fünfzehnten Jahr seiner Regierung hatte der Pharao sein
Antlitz dem Jenseits zugewandt, seiner himmlischen Mutter, die ihn Nacht um
Nacht neu gebären würde, damit er bei Anbruch der Morgenröte als neue Sonne
aufgehe. Seine Brüder, die Götter, würden ihn in die Paradiese aufnehmen, wo
er, vom Tode genesen, aus der Maat leben werde.
    Nun begann die Zeit der Trauer.
    Die Tempel wurden geschlossen, die Ritualhandlungen
unterbrochen, nur morgens und abends erklangen die Totengesänge. Siebzig Tage
lang rasierten die Männer sich nicht, trugen die Frauen das Haar offen, man aß
kein Fleisch und trank keinen Wein. Die Schreibstuben blieben leer, die
Verwaltung ruhte.
    Der Pharao war tot, der Thron verwaist, und Ägypten
stand vor einer ungewissen Zukunft. Jeder fürchtete diese gefahrvolle Zeit, wo
die Maat für immer verschwinden könnte. Obwohl die Königin und der Regent da waren,
herrschte an der Spitze der Macht Leere. Das lockte die Mächte der Finsternis
an. Sie würden sich auf tausenderlei Arten bemerkbar machen, um Ägypten die
Luft abzuschnüren und es sich gefügig zu machen.
    An den Landesgrenzen wurde das Heer in Alarmbereitschaft
versetzt. Die Nachricht vom Tode Sethos’ würde sich in den anderen Ländern wie
ein Lauffeuer herumsprechen und Begehrlichkeiten wecken. Die Hethiter und
andere kriegerische Völker könnten durchaus einen Angriff auf den Saum des
Deltas versuchen oder sich gar zu einem Einmarsch bereitmachen, wovon auch
Seeräuber und Beduinen träumten. Sethos hatte sie, allein durch sein Auftreten,
zur Ohnmacht verdammt, aber nun war er nicht mehr da. Würde Ägypten trotzdem in
der Lage sein, sich zu verteidigen?
    Am Tage seines Hinscheidens wurde Sethos’ Leichnam in
die Reinigungshalle am Westufer des Nils gebracht. Die große königliche
Gemahlin übernahm den Vorsitz der Versammlung, die den verstorbenen König zu
begutachten hatte. Sie selbst, ihre Söhne, der Wesir, die Mitglieder des Rats
der Weisen, die höchsten Würdenträger, aber auch die Dienerschaft des
königlichen Haushalts erklärten hier im Anschluß an ihre Vereidigung und
Beteuerung, nur die Wahrheit zu sagen, daß Sethos ein gerechter König gewesen
war und sie keinerlei Klage gegen ihn vorzubringen hätten.
    Die Lebenden hatten somit ihr Urteil gefällt. Jetzt
konnte Sethos’ Seele dem Fährmann entgegengehen, sich übersetzen lassen über
den Fluß zur anderen Welt und sich dem Gefilde der Sterne nähern. Doch zuvor
mußte sein sterblicher Leib noch in Osiris verwandelt und den Königsriten gemäß
mumifiziert werden.
    Sobald die Mumifizierer die Eingeweide entnommen und
den Körper mit Natron und durch Sonnenbestrahlung getrocknet hätten, würden die
Zeremonienmeister den verstorbenen König in Stoffstreifen wickeln und Sethos
zum Tal der Könige begleiten, wo sein Haus für die Ewigkeit bereitstand.
    Ameni, Setaou und Moses machten sich Sorgen. Ramses
war in Schweigen versunken. Nachdem er seinen Freunden für ihre Anwesenheit
gedankt hatte, zog er sich in die Einsamkeit seiner Gemächer zurück. Nur
Nefertari gelang es, ab und zu ein paar Worte mit ihm zu wechseln, die ihn aber
auch nicht aus seiner Verzweiflung zu reißen vermochten.
    Ameni spürte ein Unheil nahen, denn Chenar entfaltete
nach gebührlicher Zurschaustellung seines Kummers einen beunruhigenden
Tätigkeitsdrang. Er nahm zu den verschiedensten Ämtern Verbindung auf und riß
die Verwaltung des Landes an sich. Gegenüber dem Wesir hatte er mehrmals
betont, er handele völlig uneigennützig, nur auf den Erhalt des Wohlstands im
Lande bedacht, dabei trug doch das ganze Land Trauer.
    Tuja hätte ihrem Ältesten ins Gewissen reden müssen,
aber die Königin wich nicht von der Seite ihres Gemahls. Als Verkörperung der
Göttin Isis hatte sie die Beschwörungspflicht zu erfüllen, ohne die keine
Wiedergeburt möglich war. Bis zu dem Augenblick, da Osiris-Sethos in
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