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RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

Titel: RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Autoren: Christian Jacq
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besiegen kann«, sagte
mein Vater zu mir; du, Ramses, bist wie ein echter Stier aus dem Leib deiner
Mutter gekommen, und du sollst eine funkelnde Sonne werden, die ihre Strahlen
aussendet zum Wohl ihres Volkes. Du verbargst dich in meiner Hand wie ein
Stern, heute öffne ich die Finger. Glänze oder geh unter.«
    Der Stier ließ ein Brüllen hören; das Zwiegespräch der
Eindringlinge reizte ihn. Ringsum erstarb jedes Geräusch; jedes Lebewesen, von
der Maus bis zum Vogel, verspürte die Bedrohlichkeit dieser Kampfansage.
    Ramses nahm sie an.
    Im Ringkampf hatte er schon Gegner bezwungen, die
schwerer und stärker waren als er. Sein Erzieher hatte ihm die Griffe
beigebracht. Aber welches Vorgehen eignete sich bei einem Ungeheuer solcher
Ausmaße?
    Sethos übergab seinem Sohn ein langes Seil mit einer
Schlinge am Ende.
    »Seine Kraft ist in seinem Kopf geballt; pack ihn bei
den Hörnern, dann bist du Sieger.«
    Der junge Mann schöpfte neue Hoffnung; im Seilwerfen
war er geübt, denn auf dem See im Palastgarten trieben die Zöglinge allerlei
vergnügliche Spiele.
    »Sobald er das Zischen deines Fangseils vernimmt, wird
er sich auf dich stürzen«, erklärte der Pharao; »verfehle ihn nicht, denn einen
zweiten Versuch gestattet er dir nicht.«
    Ramses sprach sich innerlich Mut zu, während er seine
Wurfbewegung nochmals überdachte. Trotz seines jugendlichen Alters maß er
bereits mehr als drei Ellen, und seinen athletischen Körper hatte er in
mehreren Sportarten geübt; daher ärgerte ihn diese Kindheitslocke, die in Höhe
des Ohrs von einem Band gehalten wurde und Ritualschmuck war, um sein
herrliches blondes Haar zu zeigen. Wenn er erst einmal ein Amt bei Hofe
innehätte, dann dürfte er endlich eine andere Haartracht tragen.
    Aber würde das Schicksal ihm diese Zeit lassen? Gewiß,
schon mehrmals und nicht ohne Prahlerei hatte der hitzköpfige junge Mann nach
Mutproben verlangt, die seiner würdig wären; doch daßder Pharao
persönlich und so unnachsichtig seinen Wünschen entsprechen würde, das hatte er
nicht geahnt.
    Seit der Stier den Mann gewittert hatte, war er
gereizt; lange würde er nicht mehr warten. Ramses straffte das Seil; falls es
gelänge, das Tier einzufangen, müßte er kolossale Kräfte aufbieten, um es
bewegungsunfähig zu machen. Da er über diese aber noch nicht verfügte, müßte er
über sich selbst hinauswachsen, auch wenn ihm das Herz dabei zersprang.
    Nein, er würde den Pharao nicht enttäuschen!
    Ramses ließ das Seil kreisen; der Stier stürmte los,
mit gesenkten Hörnern.
    Von der Geschwindigkeit des Tieres überrascht, wich
der junge Mann zwei Schritte seitwärts, reckte seinen rechten Arm und
schleuderte das Seil, das sich wie eine Schlange ringelte und auf den Rücken
des Ungeheuers klatschte. Bei diesem Schwung rutschte Ramses auf dem feuchten
Untergrund aus und fiel zu Boden. Schon drohten die Hörner ihn aufzuspießen.
Sie streiften seine Brust, doch er hatte die Augen nicht geschlossen.
    Er hatte seinem Tod ins Antlitz blicken wollen.
    Gereizt stürmte der Stier weiter bis zum Schilf, doch
dort drehte er ab, mit einem einzigen Satz; Ramses war aufgestanden und heftete
nun seinen Blick auf die Augen des Tieres. Er würde ihm Trotz bieten, bis zum
letzten Atemzug, und Sethos beweisen, daß ein Königssohn würdig zu sterben
wußte.
    Doch blitzartig war der Schwung des Ungeheuers
gebrochen: das Seil in des Pharaos festen Händen umschlang seine Hörner.
Wutschnaubend schüttelte das Tier den Kopf, bereit, sich das Genick zu brechen,
nur um sich zu befreien. Doch vergebens: Sethos nutzte die nun nicht mehr
zielgerichtete Kraft des Stiers, um sie gegen ihn zu verwenden.
    »Pack den Schwanz!« befahl er seinem Sohn.
    Ramses lief und ergriff den kahlen Schwanz mit dem
Haarbüschel am äußersten Ende. Einen solchen Schwanz trug der Pharao am Gürtel
seines Schurzes, er wies ihn aus als Herrn über die Macht des Stiers.
    Das besiegte Tier beruhigte sich allmählich, es
schnaubte und grollte jetzt nur noch. Nachdem der König Ramses mit einem
Handzeichen bedeutet hatte, sich hinter ihn zu stellen, ließ er es frei.
    »Diese Rasse ist nicht zu zähmen; ein männliches Tier
wie dieses scheut weder Feuer noch Wasser, es verbirgt sich sogar hinter einem
Baum, um den Feind zu überrumpeln.«
    Das Tier drehte den Kopf zur Seite und warf einen
flüchtigen Blick auf seinen Gegner. Dann trottete es davon, zurück in sein
Reich, als wüßte es, daß es machtlos war gegenüber dem Pharao.
    »Du
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