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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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werden. An allen Fronten: Training, Reisen, Turniere, der Medienpräsenz, Sponsoren, Fans. Den größten Teil der Zeit werde ich weit weg von zu Hause verbringen, wo ich immer am liebsten bin. Häufig steige ich Anfang des Jahres schweren Herzens ins Flugzeug nach Australien zum ersten Turnier. Sobald wir gestartet sind, hebt sich meine Stimmung, und ich wende meine Aufmerksamkeit mit wachsender Erregung der bevorstehenden Aufgabe zu. Ich habe jedoch auch ein Privatleben jenseits des Tennis, und den Kampf zwischen meinen persönlichen Bedürfnissen und den beruflichen Anforderungen zu gewinnen ist ein weiteres Element meines Erfolgs auf dem Tennisplatz. Manchmal wünschte ich jedoch, diesen Kampf nicht ausfechten zu müssen.
    Meine Schwester Maribel erinnert sich noch, als sie vor drei oder vier Jahren nach Hause kam und mich weinend auf der Treppe sitzend vorfand. Ich hatte mich gerade von einer Verletzung erholt und stand kurz davor, wieder auf Tennistour zu gehen. Als sie mich fragte, was los sei, erklärte ich ihr, dass mich plötzlich schreckliche Traurigkeit befallen habe, weil ich mich der Möglichkeit beraubt hatte, als Kind mehr mit meinen Freunden zu spielen. Meine Schwester war verdutzt. Außer in der Zeit unmittelbar nach der Trennung unserer Eltern lachen und scherzen wir zu Hause meistens. Solche Gedanken hatte ich ihr gegenüber bis dahin noch nie geäußert. Aber dieser Moment der Verzweiflung, so flüchtig er auch war, offenbarte mein Gefühl, dass ich tatsächlich zu viel geopfert und einen zu hohen Preis dafür bezahlt habe, um dorthin zu kommen, wo ich bin.
    Aber in dieser Frage hatte es eigentlich nie eine echte Wahl gegeben. Der dominante Teil meines Wesens trat in jener Episode zutage, als ich mit zehn Jahren im Auto meines Vaters bitterlich geweint hatte. Maribel und ich werden nie vergessen, wie ich meinem Vater sagte, der Spaß, den ich in einem sorglosen August mit meinen Freunden hatte, könne niemals den Kummer über die Niederlage gegen einen Spieler aufwiegen, den ich eigentlich hätte schlagen müssen. An jenem Tag setzte ich meine Prioritäten und fällte die wichtigste Entscheidung meines Lebens, ohne dass es mir damals klar gewesen wäre. Nachdem sie getroffen war, gab es kein Zurück mehr. Damals nicht und heute nicht. Der Weg war vorgezeichnet, und obwohl es Momente des Zweifels und der Schwäche gab, bin ich nie davon abgegangen. Nicht einmal, wenn die Verlockung am größten war.
    Ein solcher Moment kam, als ich mit Kindheitsfreunden aus Manacor in Thailand Urlaub machte. Es war eine Chance, verlorene Zeit gutzumachen, aber mein Wettkampfgeist rebellierte.
    Es stand ein Turnier in Bangkok bevor, und ich beschloss, vorher eine Woche Strandurlaub zu machen. Wir waren zu zehnt, darunter auch mein ältester Freund, Miguel Ángel Munar, mit dem ich als kleiner Junge bei Toni trainiert hatte. Vor der Abreise bekam ich Zweifel, ob es sinnvoll sei, die lange Reise nach Bangkok und den Kampf gegen den Jetlag auf mich zu nehmen, um an einem Turnier teilzunehmen, das auf meiner Prioritätenliste keinen sonderlich hohen Stellenwert hatte. Aber ich hatte mich acht Monate zuvor zur Teilnahme verpflichtet und durfte die Veranstalter nicht durch eine so kurzfristige Absage im Stich lassen.
    Unser Urlaub war herrlich. Wir fuhren Jetski und spielten Golf. Miguel Ángel, der noch nie in der Woche vor einem Turnier Tag und Nacht mit mir verbracht hatte, wunderte sich jedoch, dass ich gleich nach der Ankunft, nachdem wir auf dem Hinflug dreimal hatten umsteigen müssen, auf den Tennisplatz des Hotelkomplexes ging, um eine Stunde zu spielen. Noch mehr verblüffte ihn, dass ich jeden Morgen pünktlich um neun Uhr aufstand, um zu trainieren, selbst wenn wir erst um fünf Uhr morgens schlafen gegangen waren. Außerdem trainierte ich jeden Nachmittag eine Stunde.
    Miguel Ángel wusste allerdings nicht, dass mich etwas bedrückte, so gut wir uns auch amüsierten. Ich absolvierte zwar meine Trainingsstunden, wusste aber, dass ich mich nicht so gründlich vorbereitete, wie ich es unmittelbar vor einem Turnier hätte tun sollen. Wir waren in den Tropen, und es war viel zu heiß und feucht, um mich körperlich so zu verausgaben, wie es eigentlich erforderlich war. Also traf ich einen Entschluss, der weder meine Freunde noch mich sonderlich freute. Aber er war notwendig. Planmäßig sollten wir eigentlich am Dienstagabend nach Bangkok fahren, aber ich reiste schon am Montagmorgen ab. Es ging zwar nicht um das
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