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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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wichtigste Turnier meiner Karriere, aber da ich nun mal beschlossen hatte teilzunehmen, wollte ich nicht weniger als mein Bestes geben. Hätte ich an der ursprünglichen Planung festgehalten, hätte ich zwei Tage gründlicher Vorbereitung versäumt. Und ich hatte das Gefühl, dass ich mir das nicht leisten konnte. Wie die Dinge lagen, schied ich im Halbfinale aus und wusste genau, dass ich auf dem Tennisplatz mehr Freude gehabt hätte, wenn ich mir weniger Spaß am Strand gegönnt hätte.
    Eine Lektion, die ich gelernt habe, lautet: Wenn mein Beruf einfach wäre, würde er mir nicht so viel Befriedigung verschaffen. Die Freude über einen Sieg entspricht proportional der Anstrengung, die ich vorher in ihn investiere. Aus langer Erfahrung weiß ich, wenn man sich im Training anstrengt, obwohl einem nicht danach ist, zahlt es sich aus, indem man Spiele gewinnt, auch wenn man nicht in Bestform ist. So gewinnt man Turniere, und eben das unterscheidet die großen Spieler von den lediglich guten Spielern. Der Unterschied besteht in der gründlichen Vorbereitung.
    Novak Djokovic gehört zweifellos zu den aktuellen Tennisgrößen, aber als es nun in New York dunkel wurde, lag ich 2:1 Sätze gegen ihn in Führung. Um 21.15 Uhr hatte er zu Beginn des vierten Satzes Aufschlag. Er spielte gut, aber ich spielte sehr gut. Mir war klar, dass er unter starkem Druck stand, da er von Anfang an gegen einen Rückstand hatte ankämpfen müssen und in keiner Phase des bisherigen Matchs in Führung gegangen war. Und nun fiel er noch weiter zurück. Wenn ich in diesem Satz meinen Vorsprung ausbauen könnte, würde es mental für ihn überaus schwierig werden. Auch ich stand unter Druck, aber ich hatte genügend Erfahrung mit Grand-Slam-Endspielen, um darauf zu vertrauen, dass ich mein Spiel beibehalten konnte.
    Im ersten Ballwechsel des Satzes schaffte ich mit Glück ein Break. Mit einem guten ersten Aufschlag brachte er mich sofort in die Defensive, und nachdem wir zwei weitere Schläge ausgetauscht hatten, lief er ans Netz. Ich versuchte einen angeschnittenen Cross, traf den Ball aber so schlecht, dass ein verunglückter Lob daraus wurde. Er überlegte wohl, einen Schmetterball zu versuchen, ließ es aber, weil er meinte, der Ball ginge ins Aus, aber er unterschätzten den Slice, der den Ball noch knapp vor der Grundlinie auftreffen ließ. Es war ein guter Punktgewinn, aber vor allem ein aufschlussreicher Einblick in Djokovics mentale Verfassung. Er bestätigte damit meinen Eindruck, dass sein Selbstvertrauen schwand und ihm die Ideen ausgingen. Ansonsten hätte er den Schmetterball gespielt, und in jedem Fall hätte er nicht so überstürzt versucht, den Ballwechsel zu beenden, indem er ans Netz ging, was er ebenso selten tut wie ich. Er ging immer mehr Risiken ein, und meine Intuition sagte mir, wenn ich so weiterspielte, würde ich ihn an den Rand der Verzweiflung treiben.
    Den nächsten Punkt holte er, indem er wieder ans Netz ging, diesmal mit einem spitzwinkligen, unterschnittenen Volley. Ich sprintete wie der Teufel diagonal über die gesamte Platzbreite und hätte ihn beinahe noch erwischt. Es war gut, dass er sah, wie ich es versuchte. Beim nächsten Mal würde er es sich wohl sicherlich zweimal überlegen, einen Volley zu spielen. Vielleicht würde es ihn aber auch zu einem sehr ehrgeizigen Versuch verleiten und damit zu einem Fehler zwingen. Beim Stand von 15 beide spielten wir beide eine Weile von der Grundlinie aus, bis er die Beherrschung verlor und einen dummen Vorhand-Winner versuchte, der ihm zu lang geriet. Den nächsten Punkt bekam er, weil mir ein Ball ins Aus ging, aber nachdem er eine weitere Vorhand verpatzt hatte, hatte ich bei 30:40 einen Breakball. Zum ersten Mal in diesem Match fluchte er lautstark. Vielleicht brauchte er das, vielleicht tat es ihm gut. Aber für mich war es ein weiteres ermutigendes Zeichen.
    Mein Hauptproblem war im Augenblick seine einzige schlagende Waffe, sein Aufschlag, der nach wie vor gut funktionierte. Seit Beginn des Matchs hatte er noch keinen Aufschlag verpatzt, und auch die drei nächsten gelangen ihm gut. Er ging 1:0 in Führung, allerdings hatte ich den Eindruck, dass er nicht mehr allzu viele Pfeile im Köcher hatte.
    Im nächsten Spiel glich ich mit gutem Aufschlag und guten Bällen aus. Er holte einen Punkt mit einer so kraftvollen Longline-Vorhand, wie ein Mensch sie nur schlagen konnte, verlor aber die nächsten vier: einen durch eine Rückhand ins Aus, die ihn zu einem
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